Der Tag war noch nicht alt in den Berliner Montagehallen von Bally
Wulff, als die ersten Außenstellen des Spielautomatenherstellers von
aktiven GewerkschafterInnen aufgesucht wurden. Angekündigt waren
Aktionen vor zehn von zwölf Niederlassungen im gesamten Bundesgebiet.
Den Anfang machte die FAU Dortmund um kurz vor 8 Uhr. „Bis auf zwei
Ausnahmen“, heißt es in einem Bericht von vor Ort, „hatten die
ArbeiterInnen aus dem Gewerbegebiet, mit denen wir gesprochen haben,
Interesse und Verständnis für die Sache, da die Verschlechterung der
Arbeitsbedingungen und die zunehmende Prekarisierung für viele von uns
eine reale Erfahrung bzw. Bedrohung darstellen.“
Hintergrund der gewerkschaftlichen Mobilisierung
ist folgender: Der Spielautomaten-Hersteller Bally Wulff schließt nach
Jahrzehnten einen seiner letzten Bereiche in Berlin, die noch direkt an
der Gerätefertigung beteiligt sind. Bis Juli 2012 sollen alle Arbeiten
der betriebseigenen Druckerei ausgelagert sein. Bereits im September
2011 erhielten die verbleibenden Drucker, die maßgeblich für die Optik
der Geräte Sorge tragen, ihre Kündigung, genauer: ihre
Änderungskündigung. Dieses „Angebot“ umfasst jedoch eine berufliche
Herabstufung der Facharbeiter und Lohneinbußen von mehr als 30 Prozent.
Als im Betrieb vertretene Gewerkschaft, protestiert die FAU Berlin aufs
Schärfste gegen die Pläne der Geschäftsleitung. Für den 18. November
hatte sie, nach lokalen Protesten, zu einem ersten bundesweiten Aktionstag aufgerufen.
Um die gleiche Zeit wie in Dortmund, besuchten etwa ein dutzend
Mitglieder der FAU Frankfurt die Bally Wulff-Niederlassung im
Industriegebiet von Offenbach. „Zuerst stellten wir uns den
Beschäftigten in dem Büro vor und erklärten den Ablauf unseres
Protestes“, heißt es in einem Direktbericht.
„Anschließend hielten wir über Megafon eine Kundgebung zu den Vorfällen
in Berlin und zum Stand der Dinge ab, die auch in den angrenzenden
Betrieben zu hören war. Etwa eine Stunde lang gab es eine Picket Line
vor dem Eingang von Bally Wulff, während gleichzeitig die Kundschaft der
nahegelegenen Betriebe und Werkstätten [...] mit Flyern versorgt
wurde.“
Zu Protesten kam es auch in Mannheim. Obwohl die dortige Niederlassung
vorher über die Problematik im fernen Berlin informiert worden war, war
von der Leitung „keine Stellungnahme zu bekommen“. Ähnlich zugeknöpft
zeigte sich die Entertainment GmbH Bally Wulff auch in Hannover, Hamburg
und Köln: „Uns wurde von Anfang an der Zutritt zum Gelände verweigert“,
meldete das Kölner FAU-Syndikat. Die Resonanz auf die Info-Aktion,
unterstützt von der IWW Köln, war darüberhinaus jedoch „durchweg
positiv“. Ebenso in Hamburg, wo sich neben dem örtlichen Syndikat auch
die FAU Kiel beteiligte: „Der Versuch, mit der Belegschaft ins Gespräch
zu kommen, wurde dadurch erschwert, dass man vorsorglich den
Vordereingang abgeschlossen hatte.“ Auch der Hintereingang wurde
verriegelt. Lange hielt die Trotzburg jedoch nicht stand, ist dem Bericht der FAU Hamburg
zu entnehmen: Schließlich gelangen auch hier die
Gewerkschaftsinformationen in den Betrieb. Am späten Vormittag setzte
nicht zuletzt die FAU Hannover mit einer kleinen Kundgebung „ein Zeichen
der Solidarität mit den von Umstrukturierung betroffenen Kollegen in
Berlin-Neukölln“. Die Beteiligten können auch hier von einer
Gesprächsbereitschaft nicht berichten.
Man „fand sich vor verschlossenen Türen. Die Beschäftigten angrenzender
Firmen und die wenigen PassantInnen zeigten sich nichtsdestotrotz
interessiert an dem Anliegen der GewerkschafterInnen.“
Reges Interesse seitens der Öffentlichkeit fand auch die FAU
Berlin vor. War der Publikumsverkehr vor der Niederlassung in
Berlin-Spandau noch recht spärlich, so änderte sich das Bild im
Neuköllner Kiez. Zahlreiche EinwohnerInnen zeigten sich bestens
informiert und wollten nur wissen, ob die Firma bereits Anzeichen für
ein Einlenken zeige. Leider nicht.
Mit einer Kundgebung vor dem Stammwerk legten die SyndikalistInnen also
zu Schichtende nicht nur die Situation dar, sondern stellten sie auch in
einen weiteren Zusammenhang. Denn die Schließung der Betriebsdruckerei
ist, nach Auffassung der FAU Berlin, nur der bislang letzte Schritt in
einer Reihe von Maßnahmen zu Lasten der Beschäftigten: Bereits im Jahr
2008 wurden im Zuge einer Umstrukturierung große Teile der Belegschaft
entlassen oder schieden aus. Die Zahl der Beschäftigten schrumpfte in
jenem Jahr von 344 auf 222 zusammen, die Zahl der Drucker wurde
drastisch verringert. Die Teilefertigung ist nun, nach Erkenntnissen der
FAU Berlin, weitgehend ausgelagert. Die Restbelegschaft in der Montage
arbeitet seither auch mit LeiharbeiterInnen zusammen. Und bereits seit
2004 gelten für alle, die noch fest eingestellt werden, schlechtere
Bedingungen in Sachen Urlaub und Wochenarbeitszeit. So dreht ein
mittelständisches Unternehmen in Berlin – „arm, aber sexy“ – weiter an
der Lohnspirale nach unten.
Auf der Kundgebung ergriff zunächst einer der Betroffenen das Wort, der
nach mehr als 20 Jahren von vorn beginnen soll. Weitere Redner wandten
sich weiteren Aspekten zu: Outsourcing, Leiharbeit und
Gewerkschaftsfreiheit. Letztere rückt wieder (siehe Arbeitskampffolgen)
ins Rampenlicht, weil die Geschäftsleitung derzeit versucht, juristisch
gegen die FAU Berlin bzw. ihre Vertreter vorzugehen. Ihr informelles
„Gesprächsangebot“ konkretisierte indes die Chefetage für die nächste
Woche.
Mit den Protesten in Berlin, Dortmund, Dresden,
Frankfurt/Offenbach, Hamburg, Hannover, Köln und Mannheim demonstrierte
die FAU Berlin, dass sie nicht locker lassen wird und sich auch auf die
Solidarität der föderierten Gewerkschaften der FAU verlassen kann. Die
Forderung ist eindeutig: „Das Arbeitsverhältnis wird in einem Bereich
qualifizierter Tätigkeiten, z.B. in der Spiele- bzw.
System-Qualitätssicherung, fortgesetzt. Bally Wulff garantiert eine ggf.
notwendige Umschulung bzw. Fortbildung des Beschäftigten durch
Freistellung und Lohnfortzahlung. Das bisherige Monatsgehalt wird nicht
unterschritten. Die Wochenarbeitszeit von 35 Stunden und alle sonstigen
arbeitsvertraglichen Bestimmungen werden beibehalten.“
Den Ausdauerrekord stellte an diesem Tag übrigens die junge FAU Dresden
auf: vier Stunden Kundgebung! „Nach kurzem Gespräch mit einem
Angestellten des Betriebs,“ berichtet das Allgemeine Syndikat
weiter, „bauten wir unseren Infostand auf, um nicht nur über den
aktuellen Arbeitskampf, sondern auch über die FAU allgemein und
Kampagnenthemen wie Leiharbeit und Streikrecht zu informieren.“ Die
Flugblätter wurden, mit Unterstützung des Libertären Netzwerks Dresden,
auch an Beschäftigte der benachbarten Betriebe verteilt. „Die Reaktionen
der angesprochenen PassantInnen war überwiegend freundlich und
verständnisvoll“, einige äußerten „die Hoffnung auf mehr solches
entschlossenes Engagement in Sachen Arbeitskampf“.
www.fau.org
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