Mit der markigen Parole "unbefristete Übernahme und faire Bedingungen für Leiharbeiter"
präsentierte die Industriegewerkschaft Metall (IGM) im Deutschen
Gewerkschaftsbund (DGB) kürzlich ihren neuen Tarifabschluss in der
Metall- und Elektroindustrie. Grund für uns, an dieser Stelle einmal
nicht die Auswirkungen dieses Tarifvertrages auf die Stammbelegschaften
in der Metall- und Elektroindustrie zu betrachten, sondern die
Auswirkungen auf die steigende Zahl der LeiharbeiterInnen und auf die
die angeblich geschaffenen "fairen Bedingungen für Leiharbeiter".
Hintergrund
Aufgrund von europäischem Recht sah sich die SPD/Grüne-Regierung 2004
gezwungen, die formale Gleichbehandlung von LeiharbeiterInnen mit den
Stammbelegschaften umsetzen. Im Rahmen der Agenda 2010 wurde dafür das
Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) geändert. LeiharbeiterInnen sind
demnach in Bezug auf Lohn und Arbeitsbedingungen mit den Beschäftigten
der Entleihbetriebe gleichzustellen ("Equal Pay" und "Equal Treatment").
(AÜG § 3 (1) 3)
Eine Ausnahme von der gesetzlich vorgeschriebenen Gleichstellung kann es
dem Gesetz zur Folge nur geben, wenn willige Gewerkschaften
Tarifverträge abschließen, durch die eine Schlechterstellung der
LeiharbeiterInnen gegenüber der gesetzlichen Regelung vereinbart wird.
Sowohl die Christliche "Gewerkschaft" Zeitarbeit und PSA (CGZP), wie
auch die Tarifgemeinschaft der DGB-Gewerkschaften boten sich daraufhin
umgehend als Tarifpartner an und schlossen entsprechende Schlechterstellungstarifverträge.
So kam es im Bereich Leiharbeit zu den umfassendsten
Flächentarifverträgen in Deutschland, während es gleichzeitig in der
Branche kaum gewerkschaftlich organisierte ArbeiterInnen gab.
Noch einmal im Klartext: Ohne diese Tarifverträge müsste seit 2004 die
gesetzliche Regelung von "Equal Pay und Equal Treatment" angewendet
werden. Die Konsequenz davon wäre nach Angaben des Bundesverband
Zeitarbeit (BZA), dass der gewerbsmäßige Verleih von Menschen durch
Leiharbeitsfirmen nicht mehr möglich wäre. Das wäre das Ende der
Leiharbeit. DGB und CGZP haben somit die Leiharbeit gerettet und zur
massiven Ausweitung der Branche mit ihren miserablen Arbeits- und
Lohnbedingungen aktiv beigetragen.
LeiharbeiterInnen als Bedrohung
Davon spricht die IG Metall in ihren Veröffentlichungen zum neuen
Metall- und Elektro-Tarifvertrag (M+E) verständlicher Weise ebenso wenig
wie von "gleichem Lohn für gleiche Arbeit". Schließlich betrifft es ihr
beitragszahlendes Klientel kaum, denn die Anzahl der in der IG Metall
organisierten LeiharbeiterInnen ist sehr gering. Im Weltbild der
IGM-Funktionäre scheinen LeiharbeiterInnen hingegen eher eine Bedrohung
für die noch gut bezahlten und organisierten Stammbelegschaften zu sein.
Die IGM will daher nach ihren eigenen Worten "Leiharbeit auf das beschränken, wofür sie einmal gedacht war: Produktionsspitzen abzufangen". Das wichtige für die IGM-Bosse ist dabei: "Die Entgelt- und Arbeitsbedingungen der Stammbeschäftigten dürfen nicht beeinträchtigt, Arbeitsplätze dürfen nicht gefährdet werden."
"Der Einsatz (von LeiharbeiterInnen) bedarf der Zustimmung des
Betriebsrats. Er darf darüber hinaus nur vorübergehend sein. (...) Unter
anderem ist der Einsatz zulässig, wenn im Betrieb spezielle
Qualifikationen fehlen oder kranke Beschäftigte vertreten werden müssen.
Oder wenn es gilt, Auftragsspitzen abzuarbeiten."
Das ist für die Konzernbosse hilfreich und sichert die
Stammbelegschaften ein wenig ab - weiterhin auf Kosten der Schwächsten
auf dem Arbeitsmarkt.
Deutlich wird der Zynismus der verantwortlichen IGM Funktionäre, wenn eine Vereinbarung als Erfolg verkauft wird, die besagt: "(wenn)
es in einem Betrieb keine Betriebsvereinbarung zur Leiharbeit (gibt),
dann wird künftig schon nach 18 Monaten überprüft, ob der Leiharbeiter
übernommen wird. Nach 24 Monaten Beschäftigung ist Übernahme Pflicht".
Jeder Leiharbeiter weiß, dass einige Tage an dem er nicht an die
entsprechende Entleihfirma verliehen wird, ausreichen um diesen Anspruch
auf Übernahme zu verlieren. Und die Disponenten der Leiharbeitsfirmen
werden dies auf Kundenwunsch selbstverständlich bei der Einsatzplanung
berücksichtigen.
"Zukünftig können die Betriebsräte der Metall- und Elektroindustrie
bei der Leiharbeit mitbestimmen (...) Eine Voraussetzung ist, dass
Leiharbeitsbeschäftigte künftig nur dann eingesetzt werden können, wenn
die Entgelt- und Arbeitsbedingungen der Beschäftigten oder die
Arbeitsplätze im Entleihbetrieb nicht gefährdet werden. Wenn der
Betriebsrat eine solche Gefährdung feststellt, kann er seine Zustimmung
zur Einstellung von Leiharbeitern begründet verweigern."
Das System des Menschenhandels wird von der IG Metall weiterhin zum
Vorteil ihrer organisierten Stammbelegschaften am Leben gehalten und in
Tarifverträgen verewigt. Die Stammbelegschaften können dadurch etwas
besser abgesichert mehr oder weniger gut verdienen, während die
LeiharbeiterInnen als variable und prekäre Puffer- und Verschiebemasse
bereitstehen müssen. Wenn die Bosse dies als Erfolg verkaufen würden, wäre es nachvollziehbar, dass aber eine Gewerkschaft diese Deals als Erfolg verkauft, ist erbärmlich.
Neben dem Metall-Tarifvertrag hat die IGM einen dazu passenden
Tarifvertrag mit den Leiharbeits- Arbeitgeberverbänden
"Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister" (BAP) und dem
"Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen" (IGZ)
abgeschlossen. Dieser tritt am 1. November 2012 in Kraft und ist
erstmals zum 31. Dezember 2017 kündbar. In diesem Deal sind für
LeiharbeiterInnen in der Metall und Elektroindustrie Branchenzuschläge
von 15 bis 50 Prozent vereinbart, die basierend auf den bisherigen
DGB-Dumpingtarifverträgen mit BZA und IGZ berechnet werden sollen.
Fortsetzung des systematischen Betrugs an den LeiharbeiterInnen
Das ist kein Erfolg, wie uns die IG Metall gerne weismachen möchte, sondern die Fortsetzung des systematischen Ausschlusses der LeiharbeiterInnen
von der gesetzlich festgelegten Gleichbehandlung. Die IGM hat erneut
einen Tarifvertrag abgeschlossen, der rund 250.000 ArbeiterInnen für die
nächsten fünf Jahre um ihren gesetzlichen Anspruch auf "Equal Pay" und
"Equal Treatment" betrügt. Und das, obwohl kaum jemand der Betroffenen
überhaupt Mitglied dieser Gewerkschaft ist. An diesem Deal im Interesse
der Sklavenhändler und Entleihbetriebe kann Helga Schwitzer, ein für
Tarifpolitik zuständiges Vorstandmitglieds der IGM, nichts Negatives
finden. Ganz im Gegenteil, sie verkündete jüngst: "Auf dem Weg zu einer neuen und vor allem sozialeren Ordnung des Arbeitsmarktes sind wir einen wichtigen Schritt vorangekommen".
Fragt sich nur, wer es sein soll, der in dieser "neuen Ordnung"
vorangekommen ist - die LeiharbeiterInnen sind es jedenfalls nicht.
www.fau.org
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