Geldautomaten stürmen, um ihre Ersparnisse in Bargeld zu verwandeln.
Macht das eine kritische Masse an Menschen, müssen die Banken innerhalb
kurzer Zeit ihre Schalter schließen. Ein «Bank Run» ist der Albtraum
einer jeder Regierung, denn er ist der manifeste Beleg, dass das Finanz-
und mit ihm das gesamte Wirtschaftssystem kurz vor dem Zusammenbruch
steht. «Bank Run» hört sich also nicht nur so ähnlich an wie «Bank Ruin»
sondern schmeckt auch ganz ähnlich. In Griechenland scheint in den
letzten Tagen ein «Bank Run« seinen Anfang genommen zu haben und auch in
Spanien stieg der Umfang an Bargeldabhebungen sprunghaft. Einen Run
ganz besonderer Art erlebte in dieser Woche Frankfurt/Main. In der Stadt
waren seit Donnerstag die meisten Geldautomaten abgeschaltet. Dies ist
die Begleitmusik zu einer unglaublichen Hysterie, mit der das politische
Establishment in den letzten Tagen vormacht hat, dass es gewillt ist,
die vermeintlichen Bürgerrechte mit Hilfe von Polizei und
Gerichtsbarkeit jederzeit außer Kraft zu setzen, wenn die Interessen der
(Finanz-)Wirtschaft und der Shareholder-Value dies erfordern.
Wer seit letzten Mittwoch versuchte, aus einem der vielen Geldautomaten
in der Frankfurter City Geld zu ziehen, erlebte in der Regel eine böse
Überraschung. Fast alle Automaten waren abgeschaltet. Die Folge: An den
wenigen noch funktionierenden bildeten sich lange Schlangen. Anders als
in Athen oder Madrid waren diese Schlangen allerdings noch nicht das
panische Vorspiel zu einem Bank Run, bei dem wie im Dezember 2001 in
Buenos Aires die Rollgitter der Banken fallen und die Konten eingefroren
werden. Bis dahin wird es wohl noch ein wenig dauern.
Die Abschaltung der Automaten in der Mainmetropole war vielmehr Teil
eines Szenarios, in dem die von der CDU und den GRÜNEN gestellte
Stadtregierung auf Drängen übergeordneter Behörden das Zentrum der Stadt
in das Aufmarschgebiet eines Bürgerkrieges verwandelt hat. Mehr als
5.000 Polizisten, darunter große Mengen Aufstandsbekämpfungseinheiten solchen Charakters und hunderte von Beamten in Zivil versuchten in den letzten Tagen Aktionen einiger hundert AktivistInnen von «Blockupy»
zu verhindern. Was den DemonstrantInnen nicht so recht gelungen ist,
hat dabei schließlich der Aufmarsch des staatlichen Gewaltmonopols zu
Stande gebracht. Nix ging mehr in der City of Francfort, viele
Beschäftigte freuten sich über zwei unverhoffte freie Tage ohne Zwang
zur Lohnarbeit.
Weniger spaßig ist allerdings, dass die Institutionen dieses Staates im
Vorfeld der angekündigten Blockade gezeigt haben, wie umstandslos sie
bereit sind, die demokratische Maske fallen zu lassen und sich
stattdessen die schwarzen Hasskappen der Aufstandsbekämpfungspolizei
überzustreífen. Wenn es bereits jetzt, in einer Situation in der die
Krisenbewältigung in diesem Lande noch halbwegs zu funktionieren
scheint, möglich ist, ohne viel Federlesens und unter dem Jubel eines
nicht geringen Teils der veröffentlichten Meinung, das
Demonstrationsrecht faktisch außer Kraft zu setzen, ist es vermutlich
angebracht, sich der letzten eventuell noch verbliebenen Illusionen über
den Charakter dieses Systems zu entledigen.
Im Umfeld der geplanten Proteste wurden nicht nur faktisch alle
Kundgebungen und Versammlungen verboten und diese Verbote von einer
Justiz, die ansonsten eifrig darum bemüht ist, jeden Naziaufmarsch zu
genehmigen, letztinstanzlich durchgewunken. Die Polizei ihrerseits hatte
hunderte von potentiellen DemonstrantInnen bereits auf der Anreise
gestoppt, dokumentiert, abgelichtet, erfasst, gespeichert und mit einem
summarischen Aufenthaltsverbot belegt. In den Wochen davor hatte sie
bereits versucht, mehr als 600 DemonstrantInnen ein Aufenthaltsverbot
für Frankfurt zu erteilen. Unter díesen befanden sich auch über 400
Menschen, die von der Polizei bei der Demonstration im Rahmen des M31-Aktionstages
willkürlich eingekesselt und festgenommen worden waren. Der
Staatsschutz ging parallel dazu in Frankfurt Klinken putzen und
versuchte Druck auf diejenigen Einrichtungen auszuüben, die
Räumlichkeiten für Veranstaltungen und Infrastruktur rund um «Blockupy»
zur Verfügung gestellt haben. Am Samstag, dem Tag der genehmigten
zentralen Demonstration, deren Verbot man jedoch schon im Vorfeld für
den Fall angedroht hatte, dass es während der Blockupy-Tage doch
Aktionen geben sollte, wurden die Züge auf dem Weg nach Frankfurt
durchsucht und Ringe mit Straßensperren rund um die Bankenmetropole
errichtet.
Angesichts der von Staat, Polizei und Medien betriebenen Hetze und der
faktischen Außerkraftsetzung des Versammlungsfreiheit drängten sich
älteren TeilnehmerInnen unwillkürlich Erinnerungen an das Klima der
späten 70er auf. Seinerzeit gehörte es fast schon zum Alltag, dass man
auf dem Weg z.B. zu einer Anti-AKW-Demonstration bei den
Personenkontrollen auf den gesperrten Autobahnen erst einmal die
Maschinenpistole durch die geöffnete Scheibe gehalten bekam.
Wenn schon jetzt die Aufstandsbekämpfungskonzepte mit Blick auf die
Rating-Agenturen so aussehen, wie es der Staat in Frankfurt/Main
getestet hat, braucht es wenig Phantasie, um sich die Sorte von
„Freiheit und Democracy“ vorzustellen, der man die unzufriedene
Bevölkerung im Zuge einer sich verschärfenden Krise zu unterziehen
gedenkt. Über die Konzepte für den Fall massenhafter Krisenproteste
tauschen sich die europäischen Fachagenturen für Aufstandsbekämpfung
schon seit längerem aus.
In Frankfurt/Main dürfte der Schuss aus Sicht des Lagezentrums erst
einmal nach hinten losgegangen sein. Unter denen, die sich an «Blockupy»
und der Großdemonstration am Samstag beteiligt haben, waren viele, die
vornehmlich deshalb gekommen sind, weil sie ein Zeichen setzen wollten
gegen die Verbote und die Einschüchterung. Politik, Polizei und Gerichte
waren so die besten «Blockupy»-Promotor angesichts einer eher
schleppenden Mobilisierung.
Der Polizei ist es mühelos und effizient gelungen, die geplanten
Bankenblockaden selbst durchzuführen. Das wurde in höhnischen „ihr habt
euch selbst blockiert“-Sprechgesängen auf der Großdemonstration immer
wieder vergnügt skandiert und auf den Punkt gebracht. Zum sichtlichen
Verdruss von Verwaltung und Polizei drehte sich im Verlauf der
Aktionstage dann teilweise auch noch die mediale Stimmung, so dass am
Ende Springers «Welt» schon fast beleidigt ein paar Böller wiederkauen
musste, welche die Demo am Samstag akustisch begleiteten. Nachdem sich
in der Praxis gezeigt hat, wie einfach es ist, die Staatsmacht mit ein
paar wohl platzierten Aufrufen zur Selbstblockade einer ganzen Metropole
zu treiben, dürfte das wohl jedenfalls nicht der letzte Anlauf zu einem
solchen «Blockupy yourself» gewesen sein.
Letztlich kann man es durchaus als Erfolg werten, dass sich viele einen
feuchten Kericht um die Demonstrationsverbote geschert haben und dass es
zum zweiten Mal innerhalb von zwei Monaten in Frankfurt/Main deutlich
wahrnehmbare Proteste gegen die anhaltenden Bemühungen gegeben hat, die
Kosten der Krise auf uns abzuwälzen. Eines der vielen Flugblätter, die
auf der Demonstration am heutigen Samstag verteilt wurden, enthielt die Rede der FAU auf der Demo zum M31-Aktionstag.
Darin wird die Notwendigkeit einer europaweit vernetzten Mobilisierung
gegen das Krisenregime unterstrichen, die zwar auch in eher symbolischen
zentralen Demonstrationen ihren Ausdruck finden wird, ihre Grundlage
aber in der täglichen Blockade der Krisenpolitik in Betrieben und
Stadtteilen entwickeln muss. So könnte aus den in den Bereich des
Möglichen gerückten «Bank Runs» letztlich vielleicht ja noch ein «System
Change» werden.
www.fau.org
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