12.22.2011

Protestaktion gegen LIDL-Filiale in Bochum-Laer am 19.12.2011

Am Abend des 19. Dezember 2011 hat das Allgemeine Syndikat der FAU Dortmund mit Unterstützung von solidarischen Aktivisten und FAUistas aus Bochum und NRW eine Protestaktion vor der Lidl Filiale in Bochum Laer durchgeführt. Anlass war die fristlose Kündigung eines dort beschäftigten Auszubildenden, der in der FAU Dortmund organisiert ist. Zum Inhalt der Auseinandersetzung s.u.

Dabei wurden eine große Anzahl Flugblätter mit dem Titel „Lidl-Azubis als billige Arbeitskräfte“ an interessierte Kundinnen und Kunden verteilt und den Einwohner_innen der umliegenden Wohnblocks zur Kenntnis gebracht. Dort hieß es u.a.: „Wir fordern ein Ende der Arbeitshetze, kürzere Arbeitszeiten und bessere Bedingungen für alle Auszubildenden bei LIDL und im gesamten Einzelhandel.“
Gespräch mit KundInnen vor der Lidl-Filiale in Bochum-LaerVom enormen Arbeitsdruck der Lidl-Bediensteten, bekamen die angereisten Genoss_innen der Protestaktion einen Eindruck, als erst nach etwa einer halben Stunde ein einzelner Lidl-Bediensteter hektisch vor dem Eingang auftauchte, vor dem die Genoss_innen mit Transparent und Fahnen in Aufstellung gegangen waren und Gespräche mit den Kund_innen führten. Er verwies die Genoss_innen eiligst des Lidl-Geländes, indem er mit dem unverzüglichen Einschalten der Polizei drohte. Auf eine Stellungnahme zu den Vorgängen in der Filiale angesprochen, meinte er nur, er werde sicherlich keine Stellungnahme abgeben, außerdem er habe ja noch nicht einmal das Flugblatt komplett gelesen. Da dieses sehr knapp und klar formuliert war, dürfen wir das wohl als weiteren Hinweis auf die entspannten Arbeitsbedingungen bei Lidl werten;-) Auch erhielt er den Hinweis, dass er als Beschäftigter doch selbst einmal in eine Lage geraten könnte, in der er solidarische Unterstützung gebrauchen kann. Dies eröffnete ihm offenbar eine völlig neue Perspektive, wie man seiner Irritation anmerken konnte. Ebenso schnell wie der Lidl-Angestellte aufgetaucht war, war er auch wieder verschwunden und bei der Arbeit.

Die Genoss_innen bezogen an der Einfahrt und damit im öffentlichem Raum wieder Aufstellung, da der bisherige Zuspruch der potentiellen Kund_innen unerwartet postitiv ausfiel und sie die Drohung mit der Polizei nicht als Grund für einen vorzeitigen Abbruch des Protestes akzeptierten. Auch vor der Einfahrt konnte eine Anzahl von Gesprächen mit potentiellen Kunden geführt werden. Zum Abschluss der Aktion wurden schließlich Flugblätter an weitere Beschäftigte der Filiale übergeben.

„Wir bieten Ihnen abwechslungsreiche und interessante Tätigkeiten im Unternehmen.“ [1]

Der in der FAU Dortmund aktive junge Gewerkschafter wurde von der - für ihre Praktiken gegenüber Beschäftigten berüchtigten [2] - Einzelhandelskette Lidl zunächst für die Dauer von zwei Monaten als ungelernte Hilfskraft eingestellt, mit "Aussicht auf einen Ausbildungsvertrag mit dem Abschluss Einzelhandelskaufmann (IHK)". Bereits während dieser zwei Monate lernte der Genosse schnell, was Effektivität und Effizienz bei Lidl bedeuten und wie dieses durchgesetzt wird. So hatte der Genosse oft Überstunden abzuleisten und wurde täglich mehrfach von den Vorgesetzten angehalten, dies das und jenes doch schneller zu machen, sonst würde das "wohl nichts werden mit dem Ausbildungsvertrag".

Da unser Genosse alle Entbehrungen zunächst auf sich nahm und kein Wort der Kritik wagte, da diese im Unternehmen, entgegen den Beteuerungen der Vorgesetzten, für Kritik ein offenes Ohr zu haben, alles andere als gewünscht ist, wurde er zunächst mit dem zuvor in Aussicht gestellten Ausbildungsvertrag "belohnt" - jedoch nicht für das Ausbildungsberufsbild "Einzelhandelskaufmann (IHK)", das von vornherein eine dreijährige Ausbildung beinhaltet, sondern für das Ausbildungsberufsbild "Verkäufer (IHK)", welches nur eine zweijährige Ausbildung beinhaltet. Mit in Aussicht gestellt wurde eine Verlängerung um ein Jahr bei guter Leistung, um doch noch den Abschluss als "Einzelhandelskaufmann (IHK)" machen zu dürfen. Dieser Trick gehört zum Standardrepertoire von Arbeitgebern. Hiermit wird letztlich eine Art zweijährige Probezeit eingeführt, da der Auszubildende bis zum Ende fürchten muss, das dritte Ausbildungsjahr doch nicht absolvieren zu dürfen.

So ist auch die Einstellung des Genossen als ungelernte Aushilfe nicht als nette Geste des Arbeitgebers zu verstehen, sondern als versuchte Verlängerung der Probezeit. Der Genosse hat den Ausbildungsvertrag auch erst wenige Tage vor Ende der auf zwei Monate befristeten Beschäftigung als ungelernte Hilfskraft zugestanden bekommen. Jedoch änderten sich die Tätigkeitsfelder im Betrieb nicht im mindesten und eine Ausbildung im Wortsinn fand nicht statt.

Weiterhin hieß es hauptsächlich: wischen, kassieren, einräumen.

Ständige, verdeckte Überprüfungen der "Arbeitsqualität" der einzelnen Mitarbeiter wie z.B. durch nicht angekündigte Testkäufe waren die Regel und führten letztlich zu dem gewünschten Resultat der außerordentlichen Kündigung. Zwar können Arbeitsverhältnisse und auch Ausbildungsverhältnisse mündlich geschlossen, aber nur schriftlich gelöst werden. So wurde dem Genossen, wenige Tage vor Ende der Probezeit mündlich die Kündigung mitgeteilt, er wurde vom Filialleiter und dem Gebietsverkaufsleiter zu seinem Spind geführt, dieser wurde geleert und er wurde hinaus geleitet. Die schriftliche Kündigung wurde erst einen Tag nach Ende der Frist, ohne Zugangsnachweis, in den Briefkasten gelegt. Offenbar rechnete Lidl nicht damit, dass sich jemand gegen diese Ungerechtigkeiten zur Wehr setzen würde. Dies war jedoch nicht der Fall. Beim folgenden Schlichtungsgespräch bei der IHK Bochum, wurde der Azubi als faul und unfähig hingestellt. Das vom Rechtsanwalt des Genossen angeführte Argument, dass die schriftliche (und damit rechtsverbindliche) Kündigung nicht fristgemäß einging, wurde von Seiten der IHK beiseite gewischt, da die Gegenseite plötzlich zwei Zeugen für eine fristgerechte Niederlegung des Kündigungsschreibens vorbrachte. Dass die IHK nicht im Sinne der Arbeiter und Arbeiterinnen handelt, sondern vielmehr eine Vertretung von Arbeitgeberinteressen ist, wurde hier nochmal eindringlich unter Beweis gestellt und der Antrag des Genossen auf Rücknahme der Kündigung abgewiesen.

Die geschilderten Vorkommnisse sind ein typischer Beleg für die Arbeitshetze und den erheblichen Druck, den Arbeiter_innen in Unternehmen ausgesetzt sind, welchen Profit über alles geht.

Die andere Gewerkschaft! Kämpferisch - Solidarisch - SelbstorganisiertDie Aktion am Montag wurde auch durchgeführt um klar zu stellen, dass solche Machenschaften nicht unwidersprochen im Verborgenen bleiben, und um Mut für die anstehende mündliche Verhandlung der Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Bochum zu machen.

„Teamarbeit und Fairness sind bei uns selbstverständlich.“ [1]

Gegen eine Praxis, die offenbar den Phrasen des Marketings hohnspricht, haben die Azubis und die weitere Belegschaft - bisher - leider nicht ihr wichtigstes Mittel entdeckt: die Solidarität. Der geschasste Azubi und die Aktiven von Montag freuen sich sehr, wenn dies noch geschieht. Und werden den Weg zur Filiale am Bochumer Sudbeckenpfad sicher nochmal gehen.

www.fau.org

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