5.17.2011

Mieterhöhung und Gentrifizierung? Fuck that shit!

Kommunales Eigentum/Anti-Privatisierung allein, schützt vor Mietsteigerungen nicht!

Mit dem Bürgerentscheid 2006, durch den der - von der schwarz-grünen Mehrheit geplante - Verkauf der Freiburger Stadtbau (FSB) verhindert werden konnte, ging auch die Hoffnung einher dass der Stadt ein "sozialpolitisches Steuerungsinstrument" erhalten bleibt („Das Ja zum Erhalt der Freiburger Stadtbau, heißt auch ein Ja zum sozialen Auftrag.“).

„Sozialpolitisches Steuerungsinstrument“- IN AKTION!

Seitdem wird jedoch von der Stadt gesteuert was das Zeug hält: Eine Mieterhöhungswelle nach der anderen steht seitdem auf der Tagesordnung. Ihre Politik der Heranführung der Stadtbauwohnungen an den Mietspiegel gemäß Gemeinderatsbeschluss – welche die Mieten auf ihrem sogenannten „freien Markt“ munter weiter in die Höhe treibt – macht die FSB geradezu zum Motor neoliberal-kapitalistischer Veredelungs- und Verdrängungspolitik, und lässt keine Fragen darüber mehr offen, was hier unter „sozialem Auftrag“ verstanden wird: Marktmieten!

HOW LONG UNTIL WE HAVE TO PAY FOR AIR ? - Gebrauchswert statt Mehrwert !

Die Entwicklungen auf dem kapitalistischen Wohnungsmarkt diktieren wo wir wohnen, wie wir wohnen und ob wir überhaupt wohnen können. Aufgrund des dem Kapitalismus innewohnenden Zwanges zur Durchkapitalisierung sämtlicher Lebensbereiche, wird sich nun im Rahmen neoliberaler Umstrukturierungs- und Erneuerungsprozesse die letzten „marktfernen Elemente“ abgeschafft! So wird auch noch das letzte Grundbedürfnis - nennen wir es mal Menschenrecht – vollends zur gehandelten Ware!

Waren kommunale Betriebe vor Jahren noch Zuschussbetriebe, sind sie nun im Rahmen der „unternehmerischen Stadt“ vollends kapitalistischer Profitlogik unterworfen und müssen Gewinn für den städtischen Haushalt „abwerfen“. So wurde eine neue Verkaufswelle (Aufhebung des Bürgerentscheids von 2006) von Wohnungen zur Sanierung des städtischen Haushalts im Mai vom Gemeinderat eingeläutet.

Im Würgegriff „angeblicher“ fiskalpolitischer Sachzwänge verdreht sich das einmal vorgegebene Ziel der Verbesserung der Lebensverhältnisse breiter Bevölkerungsschichten in sein direktes Gegenteil.

Freiburg nimmt nach einer Studie den traurigen deutschlandweiten Spitzenplatz bei der Mietbelastung ein. So werden im Schnitt 43,8% des Einkommens für Miete ausgegeben. Um so verheerender ist das Schrauben an der Mietpreisspirale, und die zunehmende Prekarisierung durch Leiharbeit, Lohndrückerei und viel zu niedrige „Mietobergrenzen“, für Menschen im Hartz IV - Bezug, die sich mit Zwangsumzügen und weiteren Einschränkungen ihrer Lebensqualität konfrontiert sehen.

Mietkämpfe in der Beurbarung

Der Vorgehensweise mit Mietsteigerungen den städtischen Haushalt zu sanieren und Prestigeobjekte zu finanzieren, wurde 2008 dann zum ersten mal MieterInnenproteste entgegengesetzt. Nach monatelangen Auseinandersetzungen im Stadtteil Brühl-Beurbarung und knapp 300 verklagten MieterInnen mussten bei 85% aller FSB-MieterInnen die Mieten nach unten korrigiert werden. Durch dieses politisch erkämpfte Zugeständnis der Gleichbehandlung aller FSB MieterInnen, auch der nicht von Mieterhöhungen Betroffenen oder verklagten MieterInnen, erfolgten Rückzahlungen in drei bis vierstelliger Höhe.

Die Proteste waren zeitweilig Sand im Getriebe und brachte die FSB vorerst aus dem Tritt. So konnten geplante Mieterhöhungen aufgrund der Überlastung der Verwaltung über Monate hinweg nicht durchgeführt und somit verzögert, jedoch nicht verhindert werden.

Die Mieterhöhungsspirale dreht sich weiter und weiter...

Trotz dieser Auseinandersetzungen gehen die Mieterhöhungen in Freiburg natürlich nicht nur in den städtischen Wohnungen weiter. Zuletzt waren es vor allem die Stadtteile Weingarten, Haslach und Stühlinger, von Mietsteigerungen durch die Stadt betroffen. Dagegen regte sich erneut – vor allem in Weingarten – Protest, der jedoch seitens der FSB über Klageverfahren zerstreut wurde. Die anschließende Solidaritätskampagne die von Wohnen ist Menschenrecht (WiM) angestrengt wurde, war ein erster hoffnungsvoller Schritt; denn diese zeigte: Menschen die den Mut haben sich zu wehren, können sich einer über den Stadtteil hinausgehenden Solidarität sicher sein!

Im „Quartier westl. der Merzhauserstraße“ wurde Ende April eindrücklich die Konflikte zwischen Kapitalinteressen und den Bedürfnissen der MieterInnen bei einem Stadtteilspaziergang dargestellt. So war es unübersehbar dass die stattfindende Verdrängung der dort lebenden Menschen mit geringem Einkommen nicht Nebeneffekt einer Aufwertung, sondern Voraussetzung einer Investitionsstrategie, ist.

Herdern – einer der reichsten Stadtteile wird noch weiter aufgewertet ! 

Gewaltförmig ist die Verdrängung immer, sei es durch „strukturelle Gewalt“ oder Bürokratie (Mietobergrenzen, formalisiertes Recht z.B. bei Kündigungen des Mietvertrages, Recht auf Eigentum). Doch so offensichtlich wie die FSB mittels der Polizei, den Konflikt in der Johann-Sebastian-Bachstraße austrägt - wo die Entmietungen durch eine Besetzung aus ihrer Heimlichkeit herausgeholt wurden - ist es nicht immer anschaulich, wie die „unsichtbare Hand des Marktes“ zum Polizeiknüppel wird!
Bei diesen zwei Häuserzeilen der FSB werden alte Menschen mit kleinen Renten, als Konsequenz ihrer Erwerbsbiographie, gegen ihren Willen im hohen Alter in westliche Stadtteile umgesetzt. Denn Armut und Prekarisierung schlägt sich immer auch räumlich nieder: Im Westen die Armen, Gewerbegebiete, Hochhäuser und eher belastende Infrastruktur (z.B. Güterbahn) und im Osten die Reichen, Naherholungsgebiete, privilegierte Infrastruktur (Gymnasien, Uni...).

RAUS AUS DER VEREINZELUNG DER STADT(TEIL)KÄMPFE!
Was bei einer Betrachtung der Ereignisse in den einzelnen Stadtteilen auffällt, ist, dass sich an verschiedenen Orten meist das gleiche abspielt. Dennoch werden viele dieser Kämpfe isoliert geführt. Kollektiver, selbstorganisierter Widerstand wird meist nach kurzer Zeit auf eine juristische Ebene gedrängt, um diesen damit zu entpolitisieren und zu zermürben.
An einer stadt- und bundesweiten Vernetzung, sowie gemeinsamen Aktionen und Forderungen, fehlt es. Noch!
Wir sehen die Ansätze einer „Recht auf Stadt“ - Bewegung in mehreren Städten – so auch in Freiburg – als einen guten Schritt auf dem Weg aus dieser Isolation.

NEUE ZIELE UND METHODEN !
In der Diskussion in Weingarten waren neben der Verweigerung der Unterschriften zur Mieterhöhung (knapp 50% in Weingarten hatten trotz Ablauf der Frist noch nicht unterschrieben), und dem Sammeln von UnterstützerInnenunterschriften auch in anderen Stadtteilen und offenem Brief, ... weitere Protestformen in die Diskussion gebracht worden.
Ziel war es, den Protest über den Stadtteil hinaus auf eine breitere Basis zu stellen, und aus den doch ritualisierten Abläufen auszubrechen. Auch war die Erkenntnis allgegenwärtig, dass wo Unrecht zu Recht wird, mit dem Bezug auf „Recht“ allein, diese Auseinandersetzungen nicht zu gewinnen sind.

Der Bezug auf gewerkschaftliche Organisations- und Aktionsformen kann MieterInnenkämpfen eine neue Qualität verleihen.
Neben der grundsätzlichen Frage der Besitzverhältnisse sind viele MieterInnen von konkreten Problemen betroffen, die nicht immer gemeinsam mit einem Mieterverein vor Gericht zu lösen sind. Zudem finden viele der Angriffe auf MieterInnen mit System statt und sollten entsprechend auch kollektiv beantwortet werden, anstatt sich in individuellen Rechtsstreiten zu verlieren. Sowohl die Geschichte der ArbeiterInnenbewegung als auch jüngere Erfahrungen zeigen, dass in Wohnraumkämpfen die in der Gewerkschaftsbewegung erprobten Kampfformen - Kundgebungen, Kampagnen, Verhandlungen..., aber wohl vor allem die Formen der direkten Aktion, wie Blockaden, Besetzungen, Streiks etc. - zu kollektiven Erfolgen führen können.

Mietstreik als Aktionsform!?
Der letzte große Mietstreik in Deutschland fand 1932/33 in Berlin statt, als Antwort auf die Wirtschaftskrise und die Unmöglichkeit vieler Menschen die Mieten zu bezahlen. So traten im Herbst 1932 die BewohnerInnen hunderter Mietshäuser, bis hin zu ganzen Straßenzügen, in den Mietstreik. Vorausgegangen war dem eine Aufforderung zur Behebung von Mängeln, die nicht beachtet wurde. Obwohl die Streikenden staatlicher Repression, wie der kollektiven Verhaftung von Versammlungen ausgesetzt waren, erreichten einige MieterInnen beträchtliche Mietsenkungen.

Ein aktuelles Beispiel ist der von der anarchosyndikalistischen Gewerkschaft ZSP in Warschau organisierte Mietstreik, dem sich inzwischen hunderte MieterInnen angeschlossen haben.
In den Warschauer MieterInnenkämpfen finden gewerkschaftliche Aktionsformen Anwendung: Vor zu privatisierenden Häusern werden Kundgebungen veranstaltet, Räumungen werden durch Blockaden verhindert und Hausverwaltungen werden direkt unter Druck gesetzt, indem ihre Büros besetzt werden. Außerdem wird mit  PolitikerInnen, HausbesitzerInnen usw. verhandelt. - All dies wird von den MieterInnen selbst organisiert.

Konkrete Erfolge in der Auseinandersetzung um die Interessen von MieterInnen können vor allem erreicht werden, wenn diese nicht nur als „KundInnen“ beraten werden, sondern sie sich selbst einbringen können, und sich selbst - über die eigene Hausgemeinschaft hinaus - organisieren. Die Anwendung gewerkschaftlicher Organisationsformen und Strategien in MieterInnenkämpfen kann zu konkreten Erfolgen führen. So kann die eigene Ohnmacht zunächst durch direkte Aktion und gegenseitiger Solidarität, und im weiteren durch die Auswirkungen solcher Kämpfe auf die politische Situation im Allgemeinen, überwunden werden.

Auch in Freiburg gibt es Vorschläge und Ideen: Von Mietminderungs- und Mietpreisbegrenzungskampagne, Mietstreik über symbolische Aktionen wie „unter Brücken schlafen“ bis hin zu Aktionen des zivilen Ungehorsams wie zum Beispiel: Umzingelung der FSB und des Gemeinderats, Sleep In, Besetzung entmieteter Häuser...

Es ist an der Zeit, stadtteil- und spektrenübergreifend zu einer über reine Abwehrkämpfe und kleinteilige Aktionen hinausgehende Bewegung aufzubauen und sich zu vernetzen!

FAU FREIBURG

Freie Arbeiter_Innen – Union (FAU-Freiburg)
FAU – die andere Gewerkschaft: Basisdemokratisch, Selbstorganisiert, ohne Funktionäre! Wir haben die herrschaftsfreie, auf Selbstverwaltung begründete Gesellschaft als Ziel. Die Selbstbestimmung in allen Lebensbereichen ist die grundlegende Idee des Anarcho-Syndikalismus.
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