5.21.2011

Das ist unser Augenblick: Die Besetzung der Plätze und der Ungehorsam müssen weitergehen!

Seit einigen Tagen hält eine ebenso spontane wie machtvolle Bewegung Spanien in Atem. Im Vorfeld des Wahlzirkus am 22. Mai, haben in mehr als 60 spanischen Städten und Dörfern tausende vom Menschen zentrale Plätze besetzt. Seit dem 15. Mai sind hunderttausende auf die Straße gegangen, um gegen ein abgehalftertes und korruptes politisches System zu demonstrieren, das mit immer neuen Streichungen und Sparprogrammen der Bevölkerung die Kosten der kapitalistischen Krise aufbürden will. Unter den TrägerInnen der Proteste befinden sich zehntausende von Jugendlichen einer verlorenen Generation, denen das System schon heute mit einer Jugendarbeitslosigkeit von 50 Prozent nichts mehr zu bieten hat. Die Aktionen in Spanien beziehen sich auf die Welle der Proteste in Nordafrika und im Mittleren Osten. Und wie in Tunesien, Ägypten und anderswo fällt den Herrschenden auch in Spanien nichts anderes ein, als alle Proteste zu verbieten.

Wir dokumentieren nachfolgend eine Erklärung unserer spanischen Schwestergewerkschaft CNT zur Bewegung des 15. Mai und zu den Demonstrationsverboten:

Die Vielfalt der Demonstrationen und Camps, die sich auf den Plätzen der Städte und Dörfer überall im Land seit dem 15. Mai ausweiten, sind ein deutlicher Beleg für die organisatorischen Fähigkeiten der Bevölkerung wenn diese erst einmal beschließt, sich zum Protagonisten ihres eigenen Lebens zu machen, die Apathie und die Resignation zu überwinden und ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, dass Alternativen für die vielfältigen Probleme erkämpft und entwickelt werden müssen, unter denen wir als Gesamtheit der Bevölkerung leiden – als ArbeiterInnen, Arbeitslose, StudentInnen, MigrantInnen, RentnerInnen, Prekäre...

Die organisatorischen Formen, die sich in diesen Mobilisierungen entwickelt haben, belegen die Effektivität der direkten Beteiligung aller mittels der Vollversammlungen, mit dem Ziel Entscheidungen zu fällen, die unseren Wünschen und Forderungen eine Richtung geben und dabei helfen, die Vereinzelung zu überwinden. Sie verwandeln uns in die Hauptfiguren anstelle weiter ZuschauerInnen eines System zu sein, das auf Delegation und Stellvertretung basiert und in dem unsere Individualität ausgelöscht wird. Vollversammlungen, Offene Mikrofone, Arbeitsgruppen, Verantwortlichkeit, Fähigkeiten, Organisation, Selbstverwaltung, Koordination, Kenntlichmachung sind die kollektiven Zähne, die dieses Getriebe antreiben, das in der Lage ist, die Institutionen herauszufordern und das zu einer Erwartung und zu einer öffentlichen Debatte geführt hat, die der Wahlkampagne und der dürftigen Berichterstattung der nationalen und internationalen Presse den Rang abgelaufen hat.

Die Hoffnungen, die durch die massiven Mobilisierungen enstanden sind, sollten uns nicht vergessen lassen, dass es politische, soziale und gewerkschaftliche Kräfte gibt, die versuchen werden, diese Situation zu instrumentalisieren, ihr die Kraft zu nehmen und in ihre Bahnen zu lenken. Sie haben sogar noch mehr Angst als die Regierung selbst, das bisschen an Legitimität, das sie in der Bevölkerung noch besitzen, auch noch zu verlieren. Ebenso gilt es, die Tiefgründigkeit der Vorschläge und Botschaften, die aus den Mobilisierungen entstehen, zu analysieren. Die Überwindung des Zweiparteien-Regimes und eine Änderung des Wahlrechts werden uns weder zu freieren noch zu souveräneren Menschen machen. Wir stellen fest, dass die Forderungen sich um notwendige soziopolitische Veränderungen drehen. Es mangelt aber an Kritik und Vorschlägen im Hinblick auf die Arbeitswelt: an klarer und ausdrücklicher Kritik an der sozialpartnerschaftlichen Rolle der institutionalisierten Gewerkschaftsverbände, der Arbeitsrechtsreform, am ausufernden gesetzlichen Rahmen für die Anwendung der Entlassungs-Verfügungen (ERE) und der Vernichtung von Arbeitsplätzen...

Der Ungehorsam ist das grundliegende Element für alle Mobilisierungen und jeden Ausdruck des Protestes seit dem 15. Mai. Er bietet der Repression und den Versuchen der Regierung und der Wahl-Juntas, die Camps zu behindern, die Stirn. Die Beteiligung, die Bedeutung und die Erkenntnis der Notwendigkeit, uns zu organisieren, hat sich hierdurch sogar noch verstärkt. Es ist wie ein kollektiver Pulsschlag, der die unaufhaltsame Kraft zeigt, die entsteht, wenn wir uns zusammentun und beschließen, in unseren Forderungen nicht zurückzuweichen. Ein Schlagen unserer Herzen, eine Pumpe die ein erwachenes Bewusstsein durch unsere Adern treibt, das uns reagieren, unsere Mobilisierungen ausweiten, Solidarität entstehen und Angst als Element zur Neutralisierung unserer Kampfes verschwinden lässt.

Die Sonne kann jede Nacht scheinen. Auf der Puerta del Sol, mitten in Madrid, haben wir eine Woche lang die Nacht zum Tag gemacht. Wir haben durch unsere Praxis gezeigt, dass es nicht nur möglich sondern auch notwendig ist, uns zusammenzutun, uns zu vereinen und zusammen darum zu kämpfen, dass sich unsere Gegenwart augenblicklich verändert. Wir haben aus der Selbstorganisation heraus die Grundsteine einer Gesellschaft ohne Macht, ohne Ungleichheiten, Unterdrückung uns Stellvertreterei gelegt. Lasst uns ihnen am 22. Mai mit mehr Bewusstsein und sichtbarer als jemals zuvor, mit Wahlenthaltung antworten, weil wir es uns selbst bewiesen haben, dass die politische Klasse uns nicht vertritt und dass wir sie auch nicht benötigen.

Wir als CNT werden weiterhin an der Bewegung teilnehmen und wir rufen auf zur permanenten Mobilisierung und zum Kampf als Mittel zur Lösung der Probleme jeden Bereiches unserer aller Leben.

Wir werden weiter aufbauen und gleichzeitig ungehorsam sein. Der Protest geht weiter!

¡De noche como de día la lucha también es mía!

(Secretaría de Acción Social del SP del Comité Confederal CNT)




www.fau.org

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