10.20.2010

»Finger weg vom Streikrecht«

FAU-Gewerkschaften positionieren sich zur Gesetzesinitiative in Sachen Tarifeinheit


 
 
 
 
 
 
Auch die anarcho-syndikalistische Gewerkschaftsfördera­tion Freie Arbeiterunion (FAU) startet jetzt eine Kampagne unter dem Motto »Finger weg vom Streikrecht« gegen die vom Unternehmerverband BDA und dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) auf den Weg gebrachte Gesetzesinitiative zur Wiederherstellung der Tarifeinheit. »Wir sehen in dieser Initiative einen schweren Angriff auf das Streikrecht und die Koalitionsfreiheit, aber auch auf die Tarifautonomie, womit einerseits der DGB sein bröckelndes Monopol vor unliebsamer Gewerkschaftskonkurrenz schützen möchte und zum anderen die Arbeitgeber die Ruhe in den Betrieben und dadurch niedrige Löhne sichern wollen«, heißt es in einem vor wenigen Tagen veröffentlichten Aufruf der FAU. Die Initiative passe auch zur Politik der Bundesregierung, die ihre auf Niedriglöhnen und wenig Arbeitskämpfen basierende »aggressive Standortpolitik fortsetzen« wolle.
Knackpunkt der DGB/BDA-Initiative ist für die FAU der Versuch, kleineren Gewerkschaften das Recht auf die Durchsetzung eigener Tarifverträge abzusprechen. Dies widerspreche nicht nur der im Grundgesetz garantierten Koalitionsfreiheit, sondern auch den von der BRD ratifizierten Konventionen der Internationalen Arbeitsorganisation der Vereinten Nationen. Ohnehin sei Deutschland auch nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) zur Tarifpluralität »ein Entwicklungsland in Sachen Streikrecht«, heißt es weiter. So seien Arbeitsniederlegungen, die nicht der Durchsetzung tarifvertraglich regelbarer Forderungen dienen, illegal.

Das von BDA und DGB angestrebte Mehrheitsprinzip, das den mitgliederstärksten Gewerkschaften in einem Betrieb oder einer Branche ein Tarifmonopol einräumen würde, wäre nach Einschätzung der FAU auch ein »Türöffner« für immer mehr tariffreie Zonen, wenn beispielsweise die Mehrheit einer Belegschaft keiner Gewerkschaft angehört. Auch hätten viele Tarifauseinandersetzungen der vergangenen Jahre gezeigt, daß »die mitgliederstärkste Organisation nicht im jeden Fall auch die stärkste Gewerkschaft ist«. Einige kleinere Gewerkschaften hätten »durch ein höheres Aktivitätsniveau, einen stärkeren Kampfeswillen und durch lebendigere Strukturen bessere Tarifverträge erzielt«. Die vom DGB beschworene »Einheit« sei kein Selbstzweck, »denn haben die Beschäftigten von einer ›Einheitsgewerkschaft‹, die ihre Interessen nicht vertritt?«.

Positive Aspekte sieht die FAU in dem Urteil des BAG. Enttäuschte Belegschaften wären auf dieser Grundlage »nicht länger an die Friedenspflicht eines dürftigen Tarifvertrages gebunden. Sie könnten sich in anderen oder neuen Gewerkschaften zusammenschließen, um bessere Bedingungen zu erkämpfen. Dieses Mehr an Selbstbestimmung fürchten offenbar die Arbeitgeber als auch der DGB.« Zwar hält die FAU »die berufsständische Organisierung der Fachgewerkschaften für suboptimal«, erkennt aber deren »klare Grenzziehung zwischen Arbeitgebern und Beschäftigten« an.

Mit ihrer Kritik stehen die Anarchosyndikalisten nicht allein. Nicht nur die bei einem Erfolg der BDA/DGB-Initiative mittelfristig in ihrer Existenz bedrohten Spartenorganisationen wie GDL, UFO und Marburger Bund, sondern auch viele Gliederungen von DGB-Gewerkschaften haben sich eindeutig gegen das Vorhaben gewandt. Und nach einer ersten Geisterfahrt ihres Vorsitzenden Klaus Ernst, der ein Gesetz zur Tarifeinheit zunächst uneingeschränkt unterstützte, hat die Linkspartei mittlerweile Widerstand gegen jeden Versuch angekündigt, das Streikrecht einzuschränken.
 
Von Rainer Balcerowiak 

http://www.jungewelt.de/2010/10-19/002.php

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