5.04.2012

Redebeitrag der FAU-Lokalföderation Bielefeld auf der Demonstration zum 1. Mai 2012 in Bielefeld

Das Elend der Zeitarbeit

Am 1. Mai 2012 organisierte die FAU-Lokalföderation Bielefeld gemeinsam mit den Gruppen selbAmachen/ASJ Bielefeld und [libertäres netzwerk lippe] einen unabhängigen Block auf der vom DGB angemeldeten Demonstration. Der Redebeitrag der FAU Bielefeld ist hier dokumentiert.

 
Einleitung

Leiharbeit ist eines jener Übel des Kapitalismus, von denen immer mehr Menschen betroffen sind. Dadurch sind immer mehr Lohnabhängige gezwungen, zu Hungerlöhnen zu arbeiten, die für eine menschenwürdige Existenz nicht ausreichen. Insgesamt gibt es inzwischen mehr als 900.000 LeiharbeiterInnen in Deutschland, hinzu kommen noch zahlreiche andere Formen der prekären Beschäftigung wie beispielsweise Werkverträge, Praktika und 1€-Jobs. Kaum jemand arbeitet freiwillig in diesem Sektor, die meisten wurden unter Sanktionsandrohung von Arbeitsagenturen, Argen und Jobcentern gezwungen, sich diesen an moderne Sklaverei erinnernden Bedingungen auszuliefern.

Die Bedingungen in der Leiharbeit

LeiharbeiterInnen zählen zu den klassischen prekär Beschäftigten. Sie sind bei einem Verleih-Unternehmen, von manchen auch als moderner Sklavenhändler bezeichnet, angestellt, welches sie an andere Unternehmen für eine bestimmte Zeit verleiht. Die Zeit, in der ein Leiharbeiter nicht eingesetzt wird, soll er vom Verleihunternehmen bezahlt werden. Um Geld zu sparen, werden LeiharbeiterInnen jedoch häufig sofort entlassen, wenn sie nicht eingesetzt werden können. Häufig wechselnde Arbeitszeiten und Arbeitsorte sind die Folge. Für diese ihnen abverlangte zusätzliche Flexibilität werden LeiharbeiterInnen aber nicht besser, sondern erheblich schlechter bezahlt. So bekommen LeiharbeiterInnen im Durchschnitt 30-50% weniger Geld als ihre fest angestellten KollegInnen.
Diese Bedingungen werden durch die in der Zeitarbeitsbranche üblichen Praktiken noch miserabler. Methoden wie die Verweigerung elementarer Rechte, Lohnbetrug, Willkür von Vorgesetzten, die Verrechnung verleihfreier Zeit mit dem Urlaubsanspruch sind an der Tagesordnung. Auch am Arbeitsschutz für die schneller ersetzbaren LeiharbeiterInnen wird häufig gespart. Des weiteren werden die LeiharbeiterInnen als erste entlassen, wenn das Entleihunternehmen in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät.

Wer sich gegen solche Methoden wehrt, wird üblicherweise sofort gekündigt und ist wieder den Schikanen der Arbeitsagentur ausgesetzt, die einen zu einem weiteren Scheißjob zwingen will. So entsteht für die Betroffenen ein Teufelskreis aus mieser Leiharbeit und Hartz IV-Terror.

Equal Pay und die Rolle des DGB

Was Löhne und Arbeitsbedingungen angeht sind LeiharbeiterInnen und Festangstellte seit 2004 rechtlich gleichgestellt. Diese Regelung wird in anderen Ländern, wie bspw. Frankreich, auch konsequent durchgesetzt. In Deutschland gibt es jedoch eine wichtige Ausnahmeregelung: Per Tarifvertrag können abweichende, d.h. im Regelfall erheblich schlechtere, Konditionen für LeiharbeiterInnen vereinbart werden. Hierdurch wird der sogenannte "Equal Pay"-Grundsatz flächendeckend unterlaufen. Wie konnte das passieren?

Im Jahr 2003 wurden zunächst zwischen den sogenannten "Christlichen Gewerkschaften" und den Arbeitgeberverbänden der Leiharbeitsbranche Flächentariffverträge vereinbart. Sie sahen teilweise tarifliche Stundenlöhne von unter 7,00€ vor. Die DGB-Gewerkschaften ließen sich nicht lumpen und vereinbarten kurz darauf Tarifverträge mit ähnlichen Hungerlöhnen. Hierbei ließen sich die DGB-Bosse weder vom Widerstand der eigenen Basis noch von ihren eigenen Tarifkommissionen ins Handwerk pfuschen ließen.

Nachdem 2009 den "Christlichen Gewerkschaften" per Gerichtsbeschluss die Tariffähigkeit aberkannt wurde, wäre der Weg zum Equal Pay-Prinzip eigentlich frei, so die DGB-Gewerkschaften es wollten.

Durch diesen Gerichtsbeschluss wurden die Tarifverträge der "Christlichen Gewerkschaften" rückwirkend für ungültig erklärt, sodass betroffene LeiharbeiterInnen auf beträchtliche Lohnnachzahlungen hoffen können. Der DGB nimmt diese Entwicklung aber nicht als Anlass, aus den Tarifverträgen mit der Leiharbeitsbranche auszusteigen und so gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit zu ermöglichen.

Der "Bundesverband Zeitarbeit" stellte in diesem Zusammenhang sehr treffend fest, dass die Tarifverträge mit den DGB-Gewerkschaften notwendig seien, weil "Kundenbetriebe aufgrund des equal pay und equal treatment Grundsatzes auf den Einsatz von Zeitarbeitnehmern verzichtet hätten".

Zu Beginn diesen Jahres wurden Mindestlöhne von knapp über 7,00€ für die Zeitarbeitsbranche vereinbart. Da sogar diese erbärmlichen Hungerlöhne für manche zu hoch sind, sehen sich die AusbeuterInnen zunehmend nach Alternativen um. Die momentan beliebteste Alternative zur Zeitarbeit sind Werkverträge. Hier werden nicht einfach Arbeitskräfte von einem Zeitarbeitsunternehmen gemietet, sondern es wird ein Subunternehmen per Werkvertrag zur Ausführung eines bestimmten Jobs angeheuert. Dieses Modell kann ebenso wie die Leiharbeit nur durch gnadenloses Lohndumping profitabel sein.

Die Erfahrung hat uns gelehrt, dass es nichts bringt, sich auf die DGB-Bosse, Parteien oder Regierungen zu verlassen. Wir Lohnabhängigen können uns gegen solche Zumutungen nur wehren, wenn wir uns entschlossen und kämpferisch organisieren, um den Kapitalismus zu überwinden!

Wir fordern daher:

Leiharbeit abschaffen! Kein Ersatz der Leiharbeit durch Werkverträge oder ähnliches!

Übernahme aller LeiharbeiterInnen, die dies wollen, in die Entleihbetriebe!

Vollständige Lohnnachzahlungen seit dem 01.01.2004 für alle Betroffenen der Dumping-Tarifverträge!

Weg mit dem Arbeitszwang!

Forschritte können nur erkämpft werden, niemals erbettelt!

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