Am 29. März fand in allen Regionen Spaniens ein Generalstreik gegen die Krise statt. Dabei kam es in mehreren Orten zu Übergriffen der Polizei auf Streikende. Alleine in Katalonien wurden 79 Streikende verhaftet und mehr als 100 verletzt, einige von ihnen schwer. Offensichtlich aufgeschreckt durch den überaus erfolgreichen Verlauf des Streiks, kündigte der Innenminister der katalanischen Regionalregierung, Felip Puig, wenige Tage später an, die beiden anarcho-syndikalistischen Gewerkschaften CNT und CGT juristisch verfolgen zu lassen, weil diese für Ausschreitungen während des Streiks verantwortlich seien. Der spanische Innenminister Fernández Diaz - ein mutmaßliches Mitglied der Sekte Opus Dei - forderte indes am 11. April im Parlament eine Verschärfung des Strafrechts, die für den Aufruf zu Demonstrationen und zur Blockade von Betrieben und Behörden teilweise mehrjährige Gefängnisstrafen vorsehen.
In Spanien werden die Nerven der regierenden rechtskonservativen Partei PP in dem Maße dünner, wie sich die Krisenbewältigung immer weiter jeder politischen Kontrolle entzieht und die Verarmung - aber auch die Wut - der Bevölkerung zunimmt. Trotz aller angekündigten Kahlschlagprogramme, gelang es dem spanischen Staat zuletzt nicht mehr, seine Staatsanleihen vollständig zu platzieren. Am 11. April titelte deshalb »Spiegel Online« - garniert mit dem Bild der zerstörten Scheibe einer Bank - "Die Rückkehr der spanischen Grippe" und warnte vor dem drohenden Ungemach, das sich von der iberischen Halbinsel ausgehend über das Europa des Kapitals auszubreiten droht.
Im Schatten der Krise fährt die spanische politische Klasse alles auf, was sie im Arsenal der Austeritätsprogramme finden kann. Die offizielle Arbeitslosenzahl übersprang zum Jahresende 2011 die 5 Millionen-Marke, die Jugendarbeitslosigkeit beträgt im Landesschnitt an die 50 Prozent, in einigen Problemregionen auch schon mal 70 bis 80 Prozent. In andalusischen Küstenorten stehen die Kids zu Dutzenden Schlange, wenn Drogenkuriere gesucht werden, weil die Schlangen vor den Arbeitsämtern noch um ein Vielfaches länger sind. Doch das reicht der Regierung noch nicht. Auf der Suche nach wirtschaftlicher "Wettbewerbsfähigkeit" versucht sie, weitere Bastionen einzureißen, die einem Absturz der Löhne und Sozialleistungen auf griechisches oder rumänisches Niveau noch im Wege zu stehen drohen. So versucht die Regierung u.a. neue Arbeitsgesetze durchzusetzen, mit dem Ziel, die Handlungsmacht der Gewerkschaften im Allgemeinen und der kleineren, kämpferischen Gewerkschaften im Besonderen einzudämmen. Gegen die wachsende Verarmung und gegen den Versuch der Einschränkung der gewerkschaftlichen Handlungsmöglichkeiten richtete sich u.a. der Generalstreik am 29. März, zu dem die meisten Gewerkschaften aufgerufen hatten.
Alleine die CNT brachte in dutzenden von Städten und Dörfern mehrere zehntausend Menschen auf die Straße und vor die Fabriken. Selbst in einer Stadt mittlerer Größe wie Salamanca beteiligten sich mehr als 3.000 Menschen an einem Aufzug der CNT. Manche Beobachter sprechen davon, dass CNT und CGT so viele ArbeiterInnen mobilisieren konnten, wie seit dem Ende der Franco-Diktatur Mitte der 70er Jahre nicht mehr. Und beide Gewerkschaften haben angekündigt, dass ihre Beteiligung am Generalstreik nicht mehr ist, als der erste Schritt einer Serie von Mobilisierungen gegen Staat, Kapital und deren Krise.
Die Angriffe der Polizei auf etliche der zahllosen Demonstrationen, Streikposten und sonstigen Aktionen während des 29. März, zeigen deutlich die Nervosität der herrschenden Klasse. Gummigeschosse, Tränengas, Helikopter und Knüppel gegen Streikende sind nicht zuletzt als Warnung zu verstehen, was der spanische Staat bereit ist, im Zuge einer weiteren Verschärfung der Klassenauseinandersetzungen zu mobilisieren. Für die nächstebn Wochen sind weitere Aktionstage sozialer Bewegungen angekündigt. Im Vorfeld forderte der katalanische Innenminister eine juristische Verfolgung von CNT und CGT. Was katalanische Nationalisten können, kann dem spanischen Innenminister offensichtlich nur Recht sein. Fernández Diaz (PP) kündigte an, dass seine Partei eine Gesetzesinitiative einbringen wird, die kaum anders zu verstehen ist, denn als Versuch einer juristischen Brandbauer gegen kommende Proteste.
So möchte die PP - an deren Gründung Kader der Franco-Diktatur maßgeblich beteiligt waren - Haftsstrafen von mindestens zwei Jahren für an Protesten Beteiligte einführen. Unter den Kanon des erwarteten "Straßenterrorismus" von "Anti-System-Kollektiven" (O-Töne Diaz nach einem Bericht bei telepolis) sollen auch solche Verfehlungen fallen wie der Aufruf zu Demonstrationen über soziale Netzwerke oder die "Störung der öffentlichen Ordnung" in Form von Blockaden und Besetzungen von Ämtern und Betrieben.
Die offene Wiedereinführung der katholischen Inquisition forderte der mutmaßliche Opus Dei-Sektist Diaz in diesem Zusammenhang zwar noch nicht, aber einiges aus seiner Folterkammer gegen soziale Bewegungen dürfte er sich aus europäischen Polizeitagungen der letzten Monate mitgebracht haben, auf denen momentan intensiv darüber beraten wird, mit welchen militärischen, polizeilichen und juristischen Mitteln den zunehmenden Protesten in vielen europäischen Ländern - wie zuletzt z.B. beim Aktionstag M31 - zu begegnen ist.
(Quellen: cnt.es, heise.de, fau.org, wsws.org, jungle-world.com)
Quelle: www.fau.org
Erstveröffentlichung: www.krisenblog.org
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