- Demonstration - Wir können auch anders – Widerstand gegen Cops, Staat und Repression
Wir alle kennen das, ob auf antifaschistischen Demonstrationen, Antinazidemos oder auf Antiglobalisierungsprotesten, kurz gesagt immer da wo Menschen die Entwicklung der Gesellschaft kritisieren und sich den Verhältnissen von Herrschaft und Ausbeutung widersetzen, steht uns Aktivist_innen ein riesiges Aufgebot der Polizei gegenüber, dass uns mit Schlagstöcken, Reizgasen, Wasserwerfern, Hundestaffeln und auch Schusswaffen entgegentritt.
Jedes Jahr werden tausende Menschen durch Schläge, Tritte oder Folter von Polizist_innen verletzt oder durch deren Waffen getötet.
Aus diesem Grund werden am 17. März 2012 bereits zum 16. Mal am internationalen Tag gegen Polizeibrutalität Menschen auf die Straße gehen.
Auch wir setzten uns nun zum 3. Mal mit dem Thema auseinander und wollen in Dortmund demonstrieren.
Von Repression in Dortmund…
Anlass besteht zur Genüge.
Eine große Anzahl von Polizeiskandalen und Gewaltexzessen macht es erneut deutlich, wie wichtig es ist sich gegen Polizeigewalt zu wehren.
Eines der größten Beispiele ist die Repression gegen die Antifaschist_innen und Antirassist_innen die am 2. und 3. September 2011 den Naziaufmarsch in Dortmund verhindern wollten.
Der Republikanische Anwaltsverein berichtet von massiver Missachtung der Grundrechte, rechtswidriger Freiheitsentziehung aufgrund fehlender Haftrichter in der Gefangenensammelstelle und unverhältnismäßigen Knüppel und Pfeffersprayeinsätzen.
Viele Anwält_innen wurden in ihrer Berufsausübung durch die Polizei eingeschränkt, da es ihnen mehrfach nicht gestattet wurde Kontakt zu ihren Mandant_innen aufzunehmen.
Der hochgerüstete Repressionsapparat schützte die Nazis durch die Abriegelung eines gesamten Stadtteils, attackierte alle die sich diesem näherten und prügelte den Nazis letztendlich den Weg frei.
In Folge der gezielten Eskalationsstrategie wurde mindestens eine Person bis zur Ohnmacht geprügelt, viele weitere erlitten schwere Prellungen und Blutergüsse am ganzen Körper sowie blutende Verletzungen an Hinterkopf, Mund und Nase.
Da auch auf fliehende Nazigegner_innen eingeschlagen wurde erlitten etliche Verletzungen und Schürfwunden aufgrund von Stürzen auf den Asphalt.
Dabei drohten und beleidigten die Polizist_innen ihre Opfer mit Sprüchen wie: „Jetzt hauen wir den Schwuchteln richtig auf die Schnauze!“
Doch die wohl erschreckenste Form der Gewalt war der flächendeckende Einsatz von chemischen Kampfstoffen, die ohne Vorwarnung gegen alle Menschen eingesetzt wurden, die sich der „Roten Zone“ näherten.
Die Polizei handelte dabei keinesfalls ausschließlich gegen sie gefährdende Personen, sondern kontaminierte ganze Straßenzüge ohne Rücksicht auf Demonstrant_innen, Passant_innen und Journalist_innen.
Gegen fliehende oder am Boden liegende Menschen wurden die Reizgase ebenfalls gezielt eingesetzt.
Auf diese Weise wurden im Laufe des Tages hunderte Menschen an den Augen, den Atemwegen und der Haut verletzt. Dutzende Personen hatten Kreislaufprobleme infolge der Gaswolken und der Paniksituationen.
…und den Todesopfern
Der Einsatz von Pfefferspray ist überaus gefährlich und die schweren physischen Folgen sind noch nicht gänzlich bekannt.
Der Einsatz von Reizgasen kann in Kombination mit Allergien, Erkrankungen der Atemwege oder Drogenkonsum schnell zum Tod führen.
Ein trauriges Beispiel für diese Gefahr ist der Übergriff auf einen 32-Jährigen Dortmunder am 23. Juni 2010.
Anwohner_innen alarmierten die Polizei da der Mann zur nächtlichen Uhrzeit starken Lärm verursachte.
Der scheinbare Routineeinsatz endete tödlich.
Die Polizist_innen entschlossen sich dazu, den Mann der sich gegen seine Festnahme wehrte, durch den Einsatz von Pfefferspray “zu beruhigen”.
Durch das Reizgas ging der Mann zu Boden und verlor das Bewusstsein, er kollabierte noch auf dem Weg zum Krankenhaus.
Wenige Stunden später starb er aufgrund eines „Multiorganversagens infolge eines schweren Kreislaufschocks“.
Einen unsachgemäßen Einsatz von Pfefferspray habe es laut Ermittlungen jedoch nicht gegeben.
Der plötzliche Tod wurde allein dem Drogenkonsum des Opfers zugeschrieben.
Am selben Abend demonstrierten über 50 Angehörige und Freund_innen des Opfers vor der Polizeistation in Dortmund-Mengede.
Ein weiteres Todesopfer aus Dortmund ist der 23-Jährige Dominique Kouamadio, der am 14. April 2006 im Stadtteil Eving von der Polizei erschossen wurde.
Laut Aussage der Beamt_innen habe er sie mit einem Messer angegriffen.
Doch die genauen Umstände geben ein Rätsel auf.
Augenzeugen berichten, dass sich zwischen Dominique und den Beamten mehre Meter abstand befanden, als diese das Feuer eröffneten.
Die Schüsse trafen ihn sowohl in das linke Bein als auch in die Brust.
Doch warum schossen die Polizist_innen einem bereits verletzen Menschen gezielt in die Brust?
Die folgenden Proteste wurden ebenfalls von Repression überschattet, so gestattete man den Demonstrant_innen nicht, die Polizei als Verantwortliche für Dominiques Tod darzustellen.
Seine Freund_innen und Familie fordern noch heute die Aufklärung der Todesumstände.
Der Kampf bleibt international
Auch in allen anderen Staaten der Welt werden fortschrittliche Menschen täglich Opfer von der Repression staatlicher Organe.
Beispielsweise sind in der Türkei im Jahr 2010 die Arbeiter_innen eines staatlichen Konzerns in den Streik gezogen, um gegen die geplante Privatisierung zu Demonstrieren, welche mit Massenentlassungen einhergegangen wäre.
Der staatliche Repressionsapparat versuchte diesen Streik mit dem Einsatz von Wasserwerfen und Pfefferspray niederzuschlagen.
Wegen eines angeblichen Putschversuches werden in der Türkei all jene festgenommen, die dem Staat ein Dorn im Auge sind.
Darunter fallen Parteien, antikapitalistische Organisationen, aber aber auch Journalist_innen und ranghohe Militärs.
Seit dem Beginn des so genannten “Ergenekon-Ermittlung” sind hunderte Menschen festgenommen worden.
Ähnlich wird auch im Iran gegen die kommunistische Opposition vorgegangen.
Nach der Revolution von 1979 begann die Regierung mit Massenverhaftungen und Massenhinrichtungen, die sich bis in die heutige Zeit ziehen.
Auch werden Proteste gegen die Regierung blutig niedergeschlagen, zuletzt im Jahr 2009, als sich nach der Präsidentschaftswahl bei den Protesten gegen den amtierenden Präsidenten Achmadinidschad, bis zu 3 Millionen Menschen landesweit versammelten.
Es gab mehrere tausend Festnahmen.
Die Anzahl der Toten ist unbekannt.
Aber auch auf der anderen Seite des Globus sind Menschen der Willkür und der Repression des Staatsapparates unterworfen.
In Chile wurden im Jahr 2011 mehrere Hundert Schüler_innen und Student_innen beim Einsatz von Wasserwerfern und Pfefferspray verletzt.
Das jüngste Todesopfer war erst 14 Jahre alt.
Es ist das System
Wenn Menschen von Polizist_innen verprügelt oder sogar getötet werden ist das abscheulich.
Doch manche repressiven Instrumente werden neben der exekutiven des Staats oft übersehen.
Gegen Polizeibrutalität zu demonstrieren ist wichtig, doch sind Brutalität und Unterdrückung Mittel zur politischen Machtausübung.
Diese äußert sich immer in Form von Gewalt.
Die ausführende Gewalt beschränkt sich nicht nur auf Polizist_innen die unter anderem damit beauftragt sind Demonstrant_innen zu verprügeln.
Es sind auch andere unterdrückende Instrumente wie Schulen, in welchen Lehrer_innen damit beauftragt werden junge Menschen zu gehorsamen und fleißigen Staatsbürgern zu erziehen, sowie Behörden, die damit beauftragt sind Flüchtlinge in Abschiebeknäste zu stecken oder desozialisierte Menschen zu schikanieren.
All diese Beamt_innen erhalten die Legitimation für ihr scheußliches Tun durch Gesetze und die gesetzgebende Gewalt. Das sind in Deutschland der Bundestag und die jeweiligen Landesparlamente.
Verstößt jemand gegen ein geltendes Gesetz, beginnt ein komplexer Prozess der ausführenden Gewalt mit dem Ziel, den Störenfried dingfest zu machen und vor die richtende Gewalt zu stellen.
Diese entscheidet dann in Form von Richter_innen in welchem Maße der oder die Schuldige bestraft werden soll, um ihn oder sie mit Gewalt und Unterdrückung zum Gehorsam zu zwingen.
Gewalt ist Alltag
Betrachten wir die Definition von Gewalt, nach der unter den Begriff Handlungen, Vorgänge und Szenarien fallen, die auf Menschen, Tiere und Gegenstände beeinflussend, verändernd und/oder schädigend einwirken, dann müssen wir feststellen, dass unser gesamtes Leben durch Gewalt bestimmt wird.
In jeder Phase unseres Lebens gibt es Menschen die die Macht dazu haben ihren Willen gegen unseren per Gewalt durchzusetzen.
Aus Angst vor Bestrafung und weiteren Folgen akzeptieren wir diese Autoritäten.
Die meisten Menschen nehmen diese alltägliche Gewalt jedoch nicht nur hin, sie halten diese auch noch für notwendig.
Dies liegt an der ständigen Atmosphäre der Konkurrenz und dem Glauben der Staat sei als Aufsicht notwendig.
Doch ein Staat wird in seinem Handeln nicht durch den Willen seiner Bürger_innen eingeschränkt.
Im Gegenteil, er emanzipiert sich von der Zustimmung seiner Bürger_innen durch das Gewaltmonopol.
Naziaufmärsche, die gegen den Willen der Bürger_innen durchgesetzt werden, sind hierfür ein gutes Beispiel.
All das nehmen die Menschen aber leider als selbstverständlich hin, sodass sie nicht hinterfragen wozu der Einsatz von Gewalt dient, sondern diese lediglich auf ihre gesetzliche Legitimation hin prüfen.
Wenn zum Beispiel ein „unrechtmäßiger“ Polizeieinsatz bei einer Demonstration untersucht wird, ertappt man etliche Kritiker_innen beim Vorwurf die Polizeibrutalität hätte gegen das Gesetz verstoßen.
Sie kritisieren also nicht die Gewalt die von sämtlichen Polizist_innen verkörpert wird, sondern nur solche Gewalt, die „ungesetzlich“ angewandt wird.
Damit arrangieren sie sich nicht nur mit den herrschenden Verhältnissen von Gewalt und Ausbeutung, sie geben den Akteur_innen einen Freifahrtschein.
Aus diesem Grund sehen wir in der Ablehnung der staatlichen Gewalt einen ersten Schritt hin zu einer befreiten Gesellschaft.
Wir können auch anders!
Wir wollen uns nicht mit diesen Verhältnissen arrangieren, denn Gewalt und Unterdrückung dürfen nicht akzeptiert werden.
Wir fordern ein schönes Leben für alle Menschen.
Doch das kann nur in einer von Konkurrenz und struktureller Gewalt befreiten Gesellschaft funktionieren.
Um so einen Zustand zu erreichen, müssen wir den größten Gegner dieses Zustandes überwinden.
Das ist zweifelsfrei jeder Staat, der durch den Einsatz der drei Gewalten die bestehenden Verhältnisse aufrecht hält.
Für ein schönes Leben in Abwesenheit von Herrschaft und struktureller Gewalt brauchen wir keine Regierungen, keine Monarchen und keine Religionen.
Wir brauchen lediglich unsere Mitmenschen.
Doch bis es soweit ist, wollen wir daran arbeiten die Ablehnung von Herrschaft und Repression in der radikalen Linken zu verstärken, denn diese hat mit organisierten Nazibanden, gesellschaftlichem Rassismus und Antisemitismus, sexistischen Medien und Kriminalisierung durch den Staat an vielen Fronten zu kämpfen.
Dazu kommt, dass die exekutive Gewalt am brutalsten gegen jene Menschen vorgeht, die Autorität und Herrschaft kritisieren oder gegen diese vorgehen.
Kurz, radikale Antifaschisten und Antifaschistinnen.
Deshalb ist es wichtig, die Diskussion in emanzipatorischen Kreisen zu führen, und die gemeinsame Kritik durch öffentlichen Protest in die Gesellschaft zu tragen.
Auf die Straße? Na, aber sicher!
Es ist an uns der Welt zu zeigen, dass es auch anders geht!
| 17.03.2012 | 17:30 Uhr | Dortmund HBF |
www.fau.org/dortmund
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