Längere Zeit war es an der Schwedischen Schule in Berlin üblich,
dass die Lehrkräfte keine schriftlichen Arbeitsverträge hatten,
unbezahlte Überstunden leisten mussten und bei Klassenfahrten
unzureichend vergütet wurden. Die Direkte Aktion bat einen in der
Bildungssektion der FAU Berlin organisierten Lehrer von seinem
persönlichen wie auch dem allgemeinen Konflikt um die Arbeitsbedingungen
zu berichten, der durch seine Sozialisierung einen erfolgreichen
Verlauf nahm. Es folgt ein Erfahrungsbericht:
Seit dem Sommer 2010 arbeite ich als Lehrer an der
Schwedischen Schule. Die schlechten Arbeitsbedingungen führten schnell
dazu, dass ich mich mit meinen KollegInnen zu wehren begann. Der
Schulleitung wurde ich als gewerkschaftlich Organisierter bald ein Dorn
im Auge. Mein Vertrag war auf ein Schuljahr befristet, und Ende Mai
bekam ich den Bescheid, dass mein Arbeitsvertrag nicht verlängert werden
würde. Fortan war ich „arbeitsbefreit“. In Anwesenheit meiner
KollegInnen musste ich die Schlüssel abgeben und das Gebäude verlassen.
Ich entschied mich daraufhin, einen Brief an die Eltern zu schreiben, in
dem ich sie über das ganze Drama aufklärte und ihnen vorschlug, an die
Schuldirektorin und den Vorstand zu schreiben, um ihre Meinung
kundzutun. Bald schon füllte sich mein Posteingang mit Mails von Eltern
und SchülerInnen, das Telefon lief heiß und die Kinder gründeten sogar
eine Facebook-Gruppe: „Wir wollen Johnny behalten“. Die Eltern trafen
sich und diskutierten über Strategien, wie mir ein Weg zurück ermöglicht
werden könne. Die Selbstorganisierung war in vollem Gange.
Anfang Juni schlugen dann 20 Eltern in der Schule auf, um ihren Unmut zu
demonstrieren. Sie drohten, das Gebäude nicht zu verlassen, bevor eine
Lösung für dieses Problem gefunden würde. Nach einem vermittelnden
Gespräch zwischen mir, meinem Anwalt, dem Vorstand, dem Sprecher der
Schulleitung und der Elternvertretung bekam ich am darauffolgenden Tag
meinen Arbeitsplatz zurück.
Dieser Konflikt offenbarte, welch sprengende Wirkung durch soziale
Verankerung erreicht werden kann. Gewerkschaftliche und
nicht-gewerkschaftliche Selbstorganisation gingen Hand in Hand. Nicht
nur wurde mein Arbeitsvertrag verlängert, auch viele der Veränderungen,
für die wir uns gemeinsam engagierten und streikten, sind eingetreten:
Ab Herbst werden alle Arbeitsstunden und auch Klassenfahrten bezahlt,
das lang ersehnte Arbeits- und Lehrerzimmer wird eingerichtet,
schriftliche Verträge werden Standard. Eine Mut machende Erfahrung.
Johnny Hellquist
Übersetzung aus dem Schwedischen: Irene Gnielka
Quelle: Direkte Aktion Sept./Okt. 2011
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