9.03.2011

Jolancie Brzeskiej (1947 - 2011)

Am 1. September 2011 ist es ein halbes Jahr her, dass die MieterInnen-Aktivistin Jolanta Brzeska im Wald von Kabaty bei lebendigen Leib verbrannt worden ist. Sechs Monate später ist es der Familie immer noch nicht gestattet Jolas Überreste zu begraben und eine Beerdigung nach ihren Vorstellungen zu arrangieren, denn die Behörden geben die Leiche nicht frei, wobei sie mitunter behaupten der Leichnam sei noch nicht identifiziert. Sechs Monate ist es her und der Grundeigentümer mit seiner Schlägertruppe, die in Jolas Wohnung einbrachen und sie bedrohten, wurde noch nicht einmal zu einem Gespräch mit der Polizei eingeladen. Das System ist gegenüber der Situation der Menschen völlig blind und tut alles dafür um das Leiden der Familie der Ermordeten noch zu vergrößern.

Menschen aus Warschau hielten am 1. September einen Protestposten ab, um den Fall Jolanta Brzeska dadurch bekannter zu machen und auf die falsche Vorgehensweise der Justiz und Polizei hinzuweisen. Obwohl es Ewigkeiten dauerte bis dieser Staat einen DNA-Test durchgeführt hat um dadurch endgültig den Leichnam als Jola Brzeska zu identifizieren, scheint er die Tatsache ihres Todes einfach nicht zu anzuerkennen. Ihre Sozialversicherung wird weiter gezahlt, als wäre nichts passiert. Nur ein Schuldenverwalter holt sich jetzt jeden Monat das Geld von ihrem Konto, um dadurch den Slum-Lord zu bezahlen, der Jolas Miete erhöhte. Der Verwalter zahlt heute denjenigen aus, der Jola bedrohte und versuchte hat sie aus ihrem Zuhause zu vertreiben. Praktischerweise kann sich der Privateigtentümer endlich die Gelder direkt von Jolas Konto holen, gegen deren Auszahlung sie sich ihr Leben lang wehrte. Die Rechnung wird jedoch von uns allen bezahlt, denn das öffentliche Wohlfahrtssystem kommt dafür auf.

Die Ausfälle des Staates nehmen kein Ende. Die Polizei ließ heute in der Presse verkünden, dass der Tod von Jola kein Mord, sondern vielmehr „ein unabsichtliches Verbrennen mit Todesfolge“ gewesen sei. Was zum Teufel bedeutet das? Das jemand diese Frau unabsichtlich an einen isolierten Ort gefahren hat, sie unabsichtlich mit Benzin übergoss, unabsichtlich anzündete und dann unabsichtlich zusah wie sie in den Flammen starb? Staaten kennen keine Scham. Als JournalistInnen fragten, warum der Leichnam bis heute nicht freigegeben sei, beantwortete die Polizei das mit dem Hinweis, dass niemand aus der Familie sie darum gebeten habe. Und der Staat übt Druck auf die Presse aus, damit sie nicht über die laufenden Ermittlungen berichten.

Auf dem Protestposten in Warschau herrschte eine traurige Stimmung. Die MieterInnen beschuldigten den passiven Staat und seine offensichtlichen Zusammenarbeit mit einem brutal und unethisch handelnden Grundeigentümer. Noch am Tag vor den Protesten war die Spannung unter den MieterInnen sehr groß, denn es war eine Konfrontation mit einem dieser Slum-Lords abzusehen. Hubert Massalski, Prinz Hubert Massalski um genau zu sein - denn er stammt aus einer der alten adeligen Familien in Polen, die Wert auf ihre Herkunft legen. Sein Clan halluziniert, er stamme von Rurik ab [Wiki: Der warägische Fürst Rurik gilt als Gründer des ersten ostslawischen Reichs im Jahre 862 und damit als Begründer Russlands, der Ukraine und Weißrusslands]. Massalski arbeitet mit Marek Mossakowski zusammen. Sie übernehmen entweder als Verwalter oder Besitzer Wohnungen, wobei sie verschiedene Tricks anwenden, von denen einige illegal sind. So übernahm Massalski demletzt als „Erbe“ zwei Gebäude, wobei eines in der teuersten Gegend Warschaus steht, nämlich am Krakowskie Przedmiejsce, in der Nähe vom königlichen Palast. Vor Jahren befand sich dort Warschaus wichtigste Touristeninformation.

Selbst die Stadt musste in dem Fall spüren, was passiert, wenn sie sich sich mit Massalski anlegt. Er malte die Fenster der beiden Gebäude mit roter Farbe an, als sie sich weigerte ihm die beiden Objekte schriftlich auszuhändigen. Aber die Stadt war nicht unschuldig bei der ganzen Angelegenheit. Es ist einfach eine Tatsache, dass die Gebäude nicht der Familie Massalski gehören. Die Gebäude wurden, wie ein großer Teil von Warschaus Altstadt, während dem 2ten Weltkrieg zerstört. Es besteht kein Zweifel daran, dass sie dann durch öffentliche Gelder wieder aufgebaut worden sind. In vielen Fällen halfen die Menschen beim Wiederaufbau von Häusern mit und erhielten dann eine Wohnung darin. Wie kommt es also, dass diese Person im Besitz von Gebäuden ist, die durch öffentliche Gelder finanziert worden sind? Wie kann das sein, wo Polen noch nicht einmal einen Reprivatisierungsvertrag unterzeichnet hat?

Kein großes Geheimnis. Es geht um das große Geld, das sich in den Händen einiger weniger mächtigen, von PolitikerInnen unterstützten GrundeigentümerInnen befindet.

Mossakowski lässt Massalski den Teil ein Mietshauses in der Dahlberg Straße in Warschau verwalten. Dort lebt ein MieterInnen-Aktivist, der ein Freund Jolas bei der Warschauer MieterInnen Assoziation gewesen ist. Mossakowski übernahm des Gebäude und erhöhte dann die Mieten um nahezu 700%, genau wie bei einem Mietshaus in der Hoza Straße, in dessen Besitz er durch einen schäbigen Deal mit einer alten Frau gekommen war.

Eigentlich lebt der MieterInnen-Aktivist und seine Familie in einer Wohnung, die der Stadt gehört. Aber die Stadt informiert die MieterInnen nicht, wenn der Eigentümer oder Verwalter wechselt, sie beendet nicht den Mietvertrag, sie stellt auch keine Ersatzwohnung zur Verfügung – sie übergibt die MieterInnen einfach den neuen BesitzerInnen. In dem Fall besitzen die neuen Inhaber nur einen Teil des Gebäudes, während die Stadt im Besitz des anderen Teiles ist. Oft genug verkauft die Stadt in solchen Fällen ihre Wohnungen an den Privatbesitzer, um dadurch das Mietshaus komplett zu privatisieren und endlich die MieterInnen los zu werden.

Nach dem Gesetz, können Grundeigentümer entweder einen Anteil der Mieten des Gesamtgebäudes ausgezahlt bekommen, oder, wie in dem Fall, was gebräuchlicher ist, sie sind im Besitz bestimmter Wohnungen. In unserer kriminellen Stadt wird aber nicht gesagt, wer der Besitzer eines Gebäudes ist. Die Behörden sagen, dass sie keine Auskunft über Privatpersonen an Dritte weitergeben können. Das bedeutet, wenn der Besitzer eines Hauses wechselt haben die MieterInnen nicht das Recht, den Namen ihres neuen Grundherren zu erfahren. Diese versuchen immer wieder Informationen über sich zu verschleiern, indem sie Verwalter oder Verwaltungsfirmen engagieren. Viele MieterInnen erfahren einfach nur den Namen des Unternehmens, an das sie ihr Geld zu überweisen haben.

Der MieterInnen-Aktivist stellte vor Gericht eine gute Frage: da dieses Gebäude teilweise der Stadt gehört; welcher Teil ist das genau? Mossakowski besitzt doch nur einen Teil des Gebäudes, warum streicht er dann die Miete für alle Wohnungen ein? Wie kann es die Stadt wagen, öffentliches Eigentum in private Hände zu geben? Der MieterInnen-AKtivist verlangte von der Stadt, dass diese genau die Wohnungen deklariert, welche der Stadt gehören und welche nicht. Es ist wirklich eine so gute Frage, dass sie in Polen niemand beantworten will. Der MieterInnen-Aktivist verlor seine Klage gegen die Erhöhung seiner Miete, mit der jovialen Begründung des Richters, der Privatbesitzer hätte nun einmal das Recht die Miete zu erhöhen um dadurch Profite zu erwirtschaften.

Die ganze Angelegenheit ist ein Beispiel dafür, wie ein Staat die Interessen weniger Privilegierter gegen die Interessen vieler durchsetzt, besonders denjenigen, die dem Kapitalismus im Weg stehen, in seiner grenzenlosen Gier. Momentan wollen die Menschen kämpfen, selbst wenn das System alles gegen sie aufgefahren hat.

ZSP Warschau

Quelle: ZSP Warschau. Six Months after Death of Jola. Tenants Protest against Legal System, (zspwawa.blogspot.com/2011/03/housing-activist-found-dead-in-warsaw.html), 01.09.2001.

Übersetzung: Internationales Sekretariat der FAU-IAA, 02.09.2011.

www.fau.org

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