Anfang Juni kündigte der DGB-Bundesvorstand das Joint-Venture mit den Unternehmern der BDA zur Knebelung des Streikrechts auf. Als unabhängige und unmittelbar von der DGB/BDA-Initiative betroffene Basisgewerkschaft begrüßt die Freie Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union diesen längst überfälligen Schritt ausdrücklich. Eine Gewerkschaft hat an der Seite der Beschäftigten und der Belegschaften zu stehen, nicht an der Seite der Bosse.
Auslöser für den Beschluss der DGB-Spitze war unter anderem die Entscheidung des ver.di-Gewerkschaftsrates vom 25. Mai, die „Tarifeinheitsinitiative“ nicht länger mitzutragen. Die Dienstleistungsgewerkschaft gehörte zu den Initiatoren des arbeitnehmerfeindlichen Vorstoßes. Der Kurswechsel jedoch erfolgte erst, nachdem klar war, dass das Ansinnen der Spitzengremien auf dem ver.di-Kongress im September 2011 keine Mehrheit finden, sondern zum politischen Fiasko des Vorstands werden würde.
Ein Jahr lang hatten Unternehmer- und DGB-Verbände einmütig für eine gesetzliche Einschränkung des Streikrechts abhängig Beschäftigter und kleiner Gewerkschaften zugunsten der großen „Mehrheitsgewerkschaften“ geworben. Bereits vor der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 23. Juni 2010, die vom Grundgesetz per Koalitionsfreiheit gebotene Tarifpluralität in den Betrieben tatsächlich anzuerkennen, hatten BDA und DGB eine gesetzliche Regelung verlangt: An die tarifliche „Friedenspflicht“ sollten nicht nur die vertragsschließende, sondern auch alle anderen Gewerkschaften gebunden sein. Der Vorstoß zielte vornehmlich auf die Berufs- und Spartengewerkschaften (Cockpit, GdL, Marburger Bund, UFO), hätte aber auch die Branchengewerkschaften der FAU getroffen.
Diese Forderungen wurden von einem breiten Kreis von renommierten Arbeitsrechtlern und Mitgliedern verschiedener Gewerkschaften kritisiert und abgelehnt. Das politische Spektrum reichte hier von Konservativen über Linksliberale bis hin zu Revolutionären. Auch wenn die Debatte im Wesentlichen mittels Rechtsgutachten auf Fachebene geführt wurde und die Bundesregierung bis heute ihre konkreten Pläne nicht offengelegt hat: Im Frühjahr 2011 befürwortete eine Mehrheit der Bevölkerung (56%) die Möglichkeit mehrerer Tarifverträge in einem Betrieb – drei Viertel der Befragten sprachen sich außerdem für ein weniger restriktives Streikrecht aus.
Bereits Anfang 2010 hatte die Basisgewerkschaft FAU den angekündigten Paradigmenwechsel des Bundesarbeitsgerichts begrüßt. Dementsprechend früh wandte sich die anarchosyndikalistische Gewerkschaft unter dem Motto „Finger weg vom Streikrecht!“ gegen die Arbeitsfront der Spitzenverbände. Von Anfang an hat die FAU versucht, eine gemeinsame Initiative der betroffenen Gewerkschaften außerhalb des DGB mit kritischen und oppositionellen Kräften innerhalb der DGB-Organisationen zu verbinden. Dieses Bündnis kam schließlich im Frühjahr 2011 zustande. Die gemeinsame Initiative „Hände weg vom Streikrecht“ verdeutlicht bereits im Namen, dass es nicht nur um die Tarifvielfalt geht, sondern um das unveräußerliche Recht der Beschäftigten, für ihre Belange aktiv zu werden und auch zu kämpfen. Eine bundesweite Tagung zu dem Thema wird am 10. September in Kassel stattfinden.
In ihrer Ablehnung einer gesetzlichen Verschärfung des Tarif- und mithin des Streikrechts, vertrat die FAU zudem ein anderes, ein kämpferisches Verständnis gewerkschaftlichen Vorgehens: Ein Einvernehmen zwischen Beschäftigten und Unternehmen ist immer nur kurzfristiger Natur und lässt sich auf konkrete Kräfteverhältnisse zurückführen. Um das Mögliche zu erreichen, muss eine Gewerkschaft daher kämpferisch und unversöhnlich die Interessen der abhängig Beschäftigten durchboxen.
Das Auseinanderfallen der DGB/BDA-Initiative ist nur ein Etappensieg. Interessierte Kreise aus Politik und Wirtschaft diskutieren weiter Mittel und Wege, das Streikrecht einzuschränken – etwa durch obligatorische Schlichtungsverfahren. Auch die Vorstände von IG Metall und IG BCE halten die Initiative für „Tarifeinheit“ weiterhin für richtig und werden versuchen, sie durchzusetzen.
Die FAU erwartet also weitere Angriffe und das, obwohl Deutschland in Bezug auf Gewerkschaftsfreiheit schon jetzt ein Entwicklungsland ist, in dem den Beschäftigten elementare Rechte, die u.a. in den ILO-Konventionen 87 und 98 und der europäischen Sozialcharta definiert sind, vorenthalten werden.
Im Zuge dieser Auseinandersetzungen wird sich die FAU verstärkt für das uneingeschränkte Streikrecht einsetzen.
Das Recht der Arbeitsverweigerung ist Teil der persönlichen Selbstbestimmung und ist daher als ein grundsätzliches Menschenrecht aufzufassen, auch wenn es effektiv nur kollektiv ausgeübt werden kann.
Ein solches uneingeschränktes Recht auf Streik kann daher nicht auf wirtschaftliche oder tarifliche Auseinandersetzungen beschränkt sein, sondern umfasst auch sogenannte „politische Streiks“. Darüber hinaus zielt die FAU nicht nur auf die volle gewerkschaftliche Aktionsfreiheit ab, sondern ebenso auf ein umfassendes und unantastbares Recht auf Streik für alle abhängig Beschäftigten selbst, egal ob und wo sie gewerkschaftlich organisiert sind oder auch nicht.
Die FAU wird deswegen auch in Zukunft jede Einschränkung des Streikrechts bekämpfen und die Rechte und Würde der Lohnabhängigen aktiv verteidigen.
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