5.02.2011

Stippvisite bei den Sklavenhändlern

Nach der 1. Mai-Demonstration des DGB führte die Basisgewerkschaft FAU zu Zeitarbeitszentralen in Mitte

»Flexibel« müssten die Beschäftigten heutzutage sein, das sagen die Unternehmer. Weil der Arbeitsmarkt immer breiter gefächert sei. Diese Entwicklung entspreche ohnehin den gesellschaftlichen Ansprüchen. Darauf stellt sich auch der Arbeitsmarkt ein: 930 000 Zeitarbeiter gibt es derzeit in der Bundesrepublik. Tendenz: steigend.

Die syndikalistische Freie Arbeiterinnen und Arbeiter Union (FAU) nennt diese Leiharbeit – in der die Beschäftigten bei einem Personaldienstleister angestellt sind und an die Betriebe ausgeliehen werden – eine »moderne Form von Slavenhandel«.

Die FAU veranstaltete am Tag der Arbeit einen Spaziergang durch Berlin-Mitte zu diesen Arbeitsvermittlern. In einem Pulk von 50 Demonstranten, einem Geiger und einem Kontrabassisten besuchten sie den Bundesverband für Zeitarbeit und den Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister, die ab Mai zum Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister (BAP) fusioniert sind.

Vor dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales monierte ein Redner durch das Mikrofon, dass diese Leiharbeiter bei Vollzeitarbeit dennoch oftmals nicht nur unwesentlich über einen Hartz IV-Satz kämen, so dass sie vielfach auf Transferleistungen vom Staat angewiesen seien. »Leiharbeit ist Lohndumping« lautet eine Parole der Basisgewerkschafter bei wehenden Schwarz-roten Fahnen in Mitte.

Leiharbeiter genießen keinen Kündigungsschutz. Sobald die Konjunktur kriselt, ist ihr Job in Gefahr. »Diese Beschäftigten könnten sich in dieser Abhängigkeitsstruktur nur weit unter Wert verkaufen«, erklärt Holger Marcks, Aktivist der FAU.

Immer mehr Werktätige würden als Arbeiter zweiter Klasse behandelt, macht die FAU als Tendenz aus. »Sie bekommen 30 Prozent oder gar 50 Prozent weniger Lohn als die Kollegen, obwohl sie die gleiche Leistung bringen«, sagt Marx.

Längst seien diese auf Zeit angestellten Kollegen auch für die Stammbelegschaft eine stetige Warnung. Schließlich kann ihr Unternehmer künftig noch häufiger auf Leiharbeiter zurückgreifen und auch ihren Arbeitsplatz ersetzen.

Anlässlich dieser trüben Gegenwart klingt der Grundsatz der FAU wie eine Utopie – die Syndikalisten halten daran fest, dass Beschäftige für die gleiche Arbeit auch der gleiche Lohn erhalten sollen. Sie gehen damit in die Opposition zur DGB, der dieses Prinzip durch Zeitarbeitstarifverträge ausgehöhlt haben.

Ab Mai gilt ein neuer Tarifvertrag für Zeitarbeiter: Demnach steigen die Löhne für ungelernte Beschäftigte in der Entgeltgruppe 1 von 7,60 Euro auf 7,79 Euro die Stunde. Die Entgeltgruppe 9 erhält eine Erhöhung von 17,11 Euro auf 17,53 Euro. Bei rund einem Drittel der Leiharbeiter werden diese Tarife angewendet. »Das ist natürlich besser als nichts«, findet Holger Marcks. Und dennoch kritisiert er, dass Leiharbeit keine eigene Branche sei und Tarifverträge nur für solche gelten sollten. Seine Befürchtung ist, dass damit Personaldienstleistern wie Randstad oder Olympia Tür und Tor geöffnet werden.

Als Erfolg werten die Syndikalisten hingegen, dass im Dezember dem Zusammenschluss von christlichen Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalservice-Agenturen (CGZP) vom Bundesarbeitsgericht die Tariffähigkeit aberkannt wurde, weil sie gesetzliche Mindeststandards herabgesetzt haben. Wer nach CGZP-Tarif bezahlt wurde, hat nun einen Anspruch auf Lohnnachzahlung.

Wie die Betroffenen dieses Recht einfordern können, darüber informiert die FAU zusammen mit dem Rechtsanwalt Klaus Stähle auf einer Veranstaltung am Donnerstag um 19 Uhr in der Lottumstraße 11 in Mitte.

Quelle: Neues Deutschland, 02.05.2011.

mehr Informationen, siehe: Kampagne Leiharbeit abschaffen!

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