4.03.2012

Frankfurt a.M.: 6000 TeilnehmerInnen, 450 Festnahmen, 130 Menschen durch Polizeigewalt verletzt

M31: Auch in Frankfurt Auftakt zu gemeinsamen und europaweit vernetzten antikapitalistischen Protesten

Im Rahmen eines gemeinsamen Aktionstages gegen den Kapitalismus fanden am 31. März 2012 in über 40 Städten Europas Kundgebungen und Demonstrationen statt. Diese Aktionen sind der Beginn einer internationalen Vernetzung antiautoritärer Bewegungen gegen gegen die herrschende Krisenpolitik der EU. Das gemeinsame Ziel ist eine freie Gesellschaft an der alle teilhaben können. Die Grundlage dafür kann nur eine Wirtschaftsweise sein, die ein gutes Leben für alle schafft, anstatt Reichtum für wenige und Armut, Existenzangst und Arbeitshetze für so viele. Für dieses Ziel haben sich am 31. März in mehr als 40 europäischen Städten Zehntausende in Bewegung gesetzt.


Allein in Frankfurt am Main nahmen 6.000 Menschen an einer Demonstration unter dem Motto "Kapitalismus ist die Krise" teil. Während der Auftaktkundgebung wurde in Redebeiträgen betont, dass Krise und Kapitalismus eine untrennbare Einheit darstellen. "Wir haben es mit einer globalen und systemischen Krise zu tun", so Torsten Bewernitz (FAU). Er betonte, dass eine Verbindung von betrieblichen Kämpfen mit solchen auf der Strasse und in den Ämtern von entscheidender Bedeutung für die nächste Zeit ist.

Der von EU-Regierungen und Wirtschaftsverbänden betriebenen Abwälzung der Krisenkosten auf die Lohnabhängigen kann nur dann wirksam etwas entgegengesetzt werden, wenn sich Widerstand verallgemeinert und zur täglichen Übung der Vielen wird. In diesem Sinne verstehen wir die Leitparole der Demonstration "Solidarität. Streik. Aufstand.".

Die Demonstration startete am Hauptbahnhof als lautstarker, offener und bunter Zug, mit dem Ziel der geschlossenen Ankunft an der Baustelle der "Europäischen Zentralbank" (EZB). Neben den Gruppen und Organisationen, die an der Vorbereitung und Mobilisierung beteiligt waren, hatte sich aus vielen Städten ein vielfältiges Spektrum von Menschen zusammen gefunden.

So waren linksradikale Gruppen gekommen, aber auch Straßentheater mit Stelzen und Kostümen, kritische KollegInnen von ver.di und der IGM, "Altlinke" aus verschiedenen Städten, die seit Jahren auf keiner Demonstration mehr waren und eine gute Anzahl unserer KollegInnen aus verschiedenen Frankfurter Betrieben, die sich vom Aufruf und der Perspektive angesprochen fühlten. Viele zeigten sich von dem zunächst immer größer werdenden Demonstrationszug beeindruckt. Er war schließlich auf 6.000 Leute angewachsen.

Nach einer Zwischenkundgebung und der Begrüßung des Occupy Camps vor dem derzeitigen Sitz der EZB, kam es zu Farbbeutelwürfen und Glasbruch bei der EZB, verschiedenen Banken, dem Luxushotel Frankfurter Hof, einigen Leiharbeitsfirmen und anderen Gebäuden.

Erst nach einer weiteren Kundgebung am Paulsplatz und nachdem der Demozug weiter gezogen war, griffen Polizeieinheiten den hinteren Teil der Demonstration an und errichteten Kessel. Die ca. 250 Menschen wurden 9 Stunden lang bei Temperaturen nicht weit über dem Gefrierpunkt festgehalten und wiederholt von Prügeltrupps der Polizei angegriffen. Die Eingekesselten wurden von Demo-Sanis mit Kälteschutzfolien versorgt. Dennoch mussten zwei Betroffene u.a. wegen Unterkühlungen ins Krankenhaus gebracht werden. Die Sanitäter berichten von insgesamt 130 Verletzten auf Seiten der DemonstrationsteilnehmerInnen.

Zuvor hatte der Hauptteil der Demonstration über zwei Stunden lang vergeblich versucht, die Öffnung der Kessel durchzusetzen. Als die DemonstrantInnen schließlich in die Innenstadt weiterziehen wollten, verfügte die Polizei die Auflösung.

Die geplanten Aktionen an der Baustelle der neuen Europäischen Zentralbank (EZB) waren dadurch nicht mehr möglich. Es ging wohl darum, für ganz Europa symbolträchtige Bilder einer zur waffenstarrenden Festung ausgebauten EZB-Baustelle zu verhindern.

Trotz des unverhältnismäßigen Polizeieinsatzes, wurde am 31. März in Frankfurt ein deutliches Zeichen für eine an den Bedürfnissen der Menschen orientierten Gesellschaft jenseits von Kapitalismus und Nationalismus gesetzt. Dass es gleichzeitig von Ufa am Ural bis nach Porto am Atlantik, von Inverness auf den britischen Inseln über Utrecht und Mailand bis nach Athen, von Moskau über Kiev und Warschau bis nach Badajoz in der spanischen Extremadura Demonstrationen und Kundgebungen in über 40 Städten Europas und eine Soli-Kundgebung in New York gab, werten wir als klares Zeichen, dass eine Bereitschaft für eine gemeinsame Perspektive des Widerstands gegen staatliche Unterdrückung und kapitalistische Ausbeutung besteht. Diese ersten Ansätze gilt es zu kultivieren, auszubauen und zu stärken und mit anderen Mobilisierungen, wie etwa der für den Generalstreik in Spanien zu verknüpfen.

Aus unserer Sicht war der europäische Aktionstag ein gelungener Auftakt. Nicht zuletzt die große Beteiligung an einer Demonstration in Deutschland, die sich erklärter Maßen jedem Reparaturbetrieb am Kapitalismus verweigert, lässt auf Folgeaktionen hoffen. Als anarcho-syndikalistische Gewerkschaft betonen wir, dass Demonstrationen immer nur kurzfristiger Ausdruck einer gewachsenen Widerstandskultur sein können. Wirksamer Widerstand fängt mit der Organisierung am Ort der Ausbeutung an, in der Fabrik, im Büro und an den vielen anderen Stellen, die für das Funktionieren der kapitalistischen Galeere von Bedeutung sind. Erst wenn wir uns kollektiv weigern zum Takt der Trommel weiter zu rudern und stattdessen gemeinsam Segel setzen, werden wir keine Rudersklaven mehr sein und selbst bestimmen, wohin der Kurs gehen soll.

FAU Frankfurt

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